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Hinweise zu Deutung von Gen 3, Gerhard von Rad


Zum Gesamttext:

Gen 2 und 3 ist im Zusammenhang zu sehen mit den uralten orientalischen Mythen, z.B. von der Menschenschöpfung, vom Lebensbaum, vom Lebenswasser, von den Kerubim. Der Jahwist, der nach 1000 v. Chr. zurZeit Salomos schrieb, fand diese Stoffe wohl zum Großteil schon miteinander verbunden vor und verwendete siein einer lehrhaften, zurückhaltenden Art, keineswegs mythologisch, sondern seiner Gottesvorstellung entsprechend. Diese verschiedene Herkunft der Stoffe ist Grund für einige Unebenheiten in der sehr komplexen Erzählung.

G.v. Rad ist der Meinung, man müsse sich vor dem Postulat hüten, eine so komplexe Geschichte könne nur einen Sinn haben. „Sie hat durch die Verschiedenartigkeit ihrer Bestandteile vielleicht gelegentlich an logischer Präzision verloren, aber dadurch, dass nicht alles ganz dicht ineinandergefügt ist, hat sie an Weiträumigkeit gewonnen.“

Zu beachten ist bei der ganzen Erzählung, dass der Jahwist nie eine direkte Schilderung des paradiesischen Lebensstandes gibt, er spricht durchweg vom Lebensstand des gefallenen Menschen aus. Es geht ihm darum, die großen Störungen in unserem jetzigen Leben - Scham, Furcht, Missklänge im Leben von Mann und Frau - als Folge der Sünde des Menschen darzustellen. „Die mannigfachen tiefen Störungen im menschlichen Leben haben ihre Wurzel in der einen Störung des menschlichen Verhältnisses zu Gott. Noch bündiger ausgedrückt: Gen 3 behauptet, dass alles Leid aus der Sünde kommt.“ G.v. Rad warnt jedoch vor Vereinfachungen: Die Erzählung enthält auch eine Art von Prometheusmotiv, der Mensch möchte im Wissen Gott gleich werden. „Mit diesem im Trotz errafften Wissen setzt wohl eine ´Höherentwicklung´ ein, aber dieses Vorwärtskommen bezahlt der Mensch mit dem Verlust des einfältigen Gehorsams.“

Zu einzelnen Stellen:

V.1:
Die Schlange ist vom Text her ein von Gott erschaffenes Tier, darf nicht mit dem Teufel oder einem Dämon identifiziert werden. Es geht dem Erzähler um den Menschen und seine Schuld. In erzählerischer Veranschaulichung bildet die Schlange nur den Anstoß zu Versuchung; sie richtet auch keine direkte Aufforderung an die Frau. Warum eine Schlange? Religionsgeschichtlich galt die Schlange als unheimliches, fremdartiges Tier. Ihre erste Frage stellt eine Verdrehung dessen, was Gott gesagt hat, dar.

V.2-3
Den Lebensbaum scheint dieser Teil der Erzählung nicht zu kennen.

V.4-5:
Die Schlange behauptet, dass Gott lüge. Sie provoziert damit ein Heraustreten des Menschen aus dem ursprünglichen Vertrauen , ein Urteilen von neutralem Ort aus. Ebenso wird der Gedanke erweckt, die Gottheit sei neidisch auf den Menschen, der genauso werden könne wie sie. Erkennen : im Hebräischen nicht nur intellektuelles Erkennen, sondern auch Können, Beherrschen. Gut und Böse : formelhafte Redeweise für unser farbloses "alles". Angestrebt wird also eine Lebenssteigerung im Sinne eines Mächtigwerdens über Geheimnisse, die jenseits des Menschen liegen ( Hybris ).

V.6:
Um welche Frucht es sich handelt, lässt sich  aus dem Text nicht entnehmen. G.v.Rad: am ehesten ein einmaliger paradiesischer Wunderbaum.

V.7:
Die Menschen sind nicht göttlich geworden, ihre Unschuld ist verloren. Das zeigt sich in der Scham : „elementarste Regung eines Schuldgefühls an der untersten Wurzel des menschlichen Wesens“. Die Einheit des Menschen, sein Einklang mit sich selbst ist zerrissen.

V.8-13:
Das „Anthropomorphische“ des Erscheinens Gottes erklärt G.v. Rad mit der „paradiesischen Verkehrsweise Gottes mit den Menschen“. An der Reaktion der Menschen zeigt sich, dass sie die Schuld abschieben wollen („die Frau, die du mir beigesellt hast“). Auch führt die Schuld zu Vereinsamung , es gibt keine Solidarität untereinander.

V.14-19:
Die Strafworte sind der eigentliche Zielpunkt der Erzählung. Sie sind ätiologisch zu verstehen, d.h. „in ihnen gibt der Erzähler über beunruhigende Rätsel und Nöte Rechenschaft, er beantwortet elementare Lebensfragen.“
Schlange : Zunächst ist die Feindschaft zwischen Mensch und Schlange im Blick, gleichzeitig jedoch an das Verhältnis des Menschen zum Bösen zu denken: ein hoffnungsloser Kampf, der nicht zum Ende kommt.
Mann und Frau sind nicht verflucht und werden nicht mit dem Tod bestraft („sonst werdet ihr sterben“ in V. 3 ist wie ein alttestamentlicher Rechtssatz formuliert und bedeutet etwa "die Todesstrafe  zur Folge haben"; es lässt sich also nicht mit Sicherheit rückschließen, dass der Mensch etwa eine Anlage zur Unsterblichkeit verloren habe; allerdings: „Der Mensch erfährt jetzt von diesem Ende, es wird in sein Bewusstsein gerückt und er muss von diesem Bewusstsein sein ganzes Leben überschatten lassen"). 

Der Urschuld entspricht jetzt eine Entwürdigung im Leben des  Menschen, die nicht von der Schöpfung her so angelegt war. Die schöpfungsmäßige Entsprechung von adam (Mensch) und adama (Erde) wird gespalten in Entfremdung . Bei der Beschreibung der Mühsal der Arbeit muss man sich die Not der palästinensischen Lebensformen vergegenwärtigen, einerseits der Fellachen (Bauern), andererseits der Beduinen (Nomaden).

V.20:
Eva = Mutter aller Lebendigen: Das Leben ist trotz aller Strafe nicht verwirkt.

V.21:
Gott bekleidet die Menschen mit Röcken: Zeichen dafür, dass Gott die Menschen weiter erhalten, für sie sorgen will.

V.22:
Der Mensch soll nicht vom Baum des Lebens essen können: Deutung G.v. Rads: Dem Menschen wird ein Gut vorenthalten, das von ihm in seinem jetzigen Zustand nicht zu ertragen wäre.

V.23f:
Kerubim: geflügelte Fabelwesen, die die Gottheit begleiten Flammenschwert: mythische Vergegenwärtigung des Blitzes

(Zusammengefasst nach: Gerhard von Rad, Das erste Buch Mose, 1949.)

 

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