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Bilderflut und visueller Analphabetismus

Wie die eingangs geschilderten Beispiele zeigen, werden wir in der heutigen Zeit von einer wahren Flut an Bildern und visuellen Eindrücken überrollt. In gesteigertem Maße gilt für jüngere Menschen, dass viele, schnelle und ‚perfekte‘ Bilder deren Sehgewohnheiten prägen. Der Trend zu einer umfassenden Visualisierung schlägt bis auf die Produktion von Alltagsbotschaften durch, in denen etwa ein Smiley eine ironische Botschaft markieren kann.

Wie aus den Anfangsbeispielen deutlich wird, scheinen besonders zwei Effekte das Interesse der zeitgenössischen Bildrezipient*innen zu fesseln: zum einen der Realitätseffekt der inzwischen meist durch Animation unterstützten Bilder, die einander in zahlreichen Schnitten ablösen – man vergleiche im Kontrast beispielsweise einen Ingmar-Bergmann-Film, der minutenlang eine Kameraeinstellung zeigt; zum anderen die Möglichkeit, die Abfolge der Bilder und eine ganze ‚Geschichte‘ selbst aktiv mitzugestalten.

Zugleich aber scheint es fast so, als nähme proportional zum Anwachsen der Bilderflut – oder gerade durch diese Flut – die Fähigkeit ab, Bilder und visuelle Strategien zu verstehen, zu analysieren und zu reflektieren. Oder, kurz gesagt: „Die Welt wird immer visueller – und dadurch blöder!“1 Denn die Herkunft vieler Bilder und Motive ist vielen Konsumenten nicht mehr bekannt, auch wenn beispielsweise so erfolgreiche Motivwelten wie die von „Harry Potter“ oder „Percy Jackson“ ohne die antiken Vorlagen von Monstern und Fabelwesen gar nicht vorstellbar wären. Noch weniger werden die Mechanismen und Techniken reflektiert, aufgrund derer – bewegte und unbewegte – Bilder ihre Wirkung beim Rezipienten entfalten.

Die Lösung dieses Paradoxes zwischen der Omnipräsenz von Bildern und dem gleichzeiti­gen Defizit an Lese- und Deutungskompetenz kann weder eine Verdammung der neuen Sehgewohn­heiten und Medien noch deren kritiklose Affirmation sein. Diese Einheit schlägt daher vor, die Rezeption von Bildern zu entschleunigen, um so dem Geheimnis ihrer Rezeptions­mechanismen auf die Spur zu kommen: Denn Bilder und Vorstellungen ‚wandern‘ nicht einfach vom Bildschirm oder von einer Leinwand in die Gedankenwelt des Rezipienten, sondern werden in einem komplexen Rezeptionsvorgang allererst in dessen Kopf erzeugt. Dies wird besonders deutlich, wenn man diesen Rezeptionsvorgang losgelöst von materiellen Bildern (Filme, Animationen, Fotografien, Kunstwerke etc.) reflektiert. Für diesen Zweck eignen sich in herausragender Weise die Texte des Autors Ovid.


1 So der Kunstprofessor und Kurator Kasper König mündlich in einem Vortrag in der Tübinger Kunsthalle am 26. Juli 2018.

 

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