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Zusammenfassung

Inhalt:

"Interkulturelle Bildung" ist ein pädagogischer Ansatz zur Herausbildung einer sensiblen Einstellung gegenüber ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschieden zwischen den Menschen. Gegenstand der vorliegenden Studie ist die Frage, wie interkulturelle Bildung und Erziehung in den Klassenzimmern ausgewählter EU-Länder - Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien und Vereinigtes Königreich - umgesetzt wird. Wie sich zeigte, findet ungeachtet der zunehmenden Vielfalt der Gesellschaften in der EU die interkulturelle Bildung im politischen Diskurs einiger Länder immer weniger Aufmerksamkeit.

Zusammenfassung

Gegenstand der Studie

Die interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule stellt seit etwa drei Jahrzehnten oder sogar noch länger, wenn wir die Debatten im Vorfeld der Einführung des Begriffs "interkulturelle Bildung" betrachten, ein wichtiges Thema politischer Diskussionen und Projekte innerhalb europäischer Organisationen und Institutionen dar. Grund dafür sind erstens die internationalen Migrationsbewegungen, die sich besonders nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt haben, zweitens die historischen mehrsprachigen und multikulturellen Werte vieler europäischer Länder und Europas insgesamt, und drittens die Notwendigkeit, die schulische, außerschulische und informelle Bildung kulturell offener zu gestalten, damit Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu Bürgern werden können, die sich der Vielfalt bewusst sind und sie zu schätzen wissen und die zum interkulturellen Dialog, nicht nur innerhalb Europas, sondern weltweit und ungeachtet der Herkunft, fähig sind. Bestandteil dieses interkulturellen Umdenkprozesses bei der Erziehung ist die Aufgabe, Schülern mit Migrationshintergrund zu helfen, ihren Weg in der Vorschul- und Schulbildung und in der Gesellschaft zu finden, indem eine spezielle Sprach- und Integrationsförderung sowohl in der Sprache des Aufnahmelandes (L2) als auch in der jeweiligen Muttersprache (L1) gewährt wird. Bei Anwendung auf den Pflichtschulunterricht ist die interkulturelle Erziehung ein transversaler Ansatz, der sich auf mehrere Themen und mehrere Aktivitäten außerhalb der Schule erstrecken kann, z. B. Austausch- und Partnerschaftsprogramme.

Die Europäische Kommission führt in regelmäßigen Abständen Erhebungen durch, um zu überprüfen, wie die Bildungssysteme der Mitgliedstaaten mit der interkulturellen Bildung oder ähnlichen Konzepten, wie z. B. multikulturelle bzw. antirassistische Gemeinschaftskunde oder Erziehung zur Wertschätzung der Vielfalt, umgehen. Die jüngste Veröffentlichung dieser Art ist „Die schulische Integration der Migrantenkinder in Europa“ (Eurydice, 2004). Sie enthält Informationen zu den offiziellen Strategien der EU-Mitgliedstaaten und beschreibt, welche Unterstützung Migrantenkinder konkret erhalten. Die Spannweite der nationalen Strategien reicht von spezifischen Hilfemaßnahmen für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund bis hin zu umfassenderen Ansätzen, bei denen die Lehrpläne der Allgemeinbildung interkulturelle Erziehung für alle oder Gemeinschaftskunde, Erziehung zur Wertschätzung der Vielfalt oder ähnliche Ansätze enthalten. Nach der Eurydice-Erhebung von 2004 wurde keine systematische Aktualisierung veröffentlicht. Über institutionelle Angebote liegen nur spärliche Informationen der Bildungssysteme einiger EU-Mitgliedstaaten vor, und nur für wenige Länder (Tschechische Republik, Niederlande, Vereinigtes Königreich, Norwegen, vgl. Eurydice 2004: 60-61) steht eine ältere oder neuere systematische Evaluierung der Umsetzung vorgesehener und erklärter institutioneller Konzepte im Bereich interkulturelle Erziehung (oder verwandter Ansätze) zur Verfügung.

Mit der vorliegenden Studie soll überprüft werden, ob und in welcher Weise sich einzelstaatliche politische Strategien verändert haben, ob interkulturelle Bildung (oder verwandte Ansätze) in der regulären Schulpraxis umgesetzt werden und ob Beispiele für bewährte Verfahren vorliegen, die sich weitergeben lassen. Die entscheidende Frage lautet, ob und wie auf europäischer Ebene konzipierte Strategien, in denen die Einbindung von Vielfalt, die Förderung der Mehrsprachigkeit und des interkulturellen Dialogs, die Integration von Zuwanderern und anderer kultureller Minderheiten sowie gleiche Bildungschancen für alle Schüler und Studenten deutlich befürwortet werden, in nationalen Konzepten und in der täglichen pädagogischen Realität der Staaten der Europäischen Union ihren Widerhall finden. Diese Frage stellt sich, weil die Medien – in manchen Ländern dramatischer als in anderen – immer wieder über das Scheitern der Integration und über das niedrigere Bildungsniveau von Schülern mit Migrations- oder Minderheitenhintergrund im Vergleich zu einheimischen Schülern berichten. Dieser Umstand wird von mehreren Forschungsberichten der OECD bestätigt, vor allem nach den Ergebnissen der internationalen PISA-Erhebungen ab 2001. Nicht nur Parteien, sondern auch Einzelne stellen die Angemessenheit und Wirksamkeit der interkulturellen Erziehung immer wieder in Frage oder geben ihr die Schuld an einer Verschärfung des Partikularismus, meist ohne genau zu wissen, was sie bedeutet, ob und wo das Konzept überhaupt verwirklicht wurde oder ob eine empirische Beziehung zwischen der Umsetzung der interkulturellen Erziehung bzw. ähnlichen Konzepten und der Integration und dem Bildungsniveau von Migranten und Minderheiten vorhanden ist.

In der Studie bemühen sich die Verfasser, auf diese komplizierte Frage Antworten zu geben, indem sie einen Vergleich auf mehreren Ebenen anstellen: erstens zwischen den Verlautbarungen offizieller Grundsatzdokumente europäischer Organisationen und den Erklärungen in Grundsatzdokumenten einzelstaatlicher Regierungen; zweitens zwischen offiziellen nationalen politischen Strategien und Leitlinien und deren Umsetzung in ausgewählten Beispielen für bewährte Verfahren. < 1 Drittens besteht eine weitere Vergleichsebene zwischen fünf Ländern, die für eine besondere Untersuchung in dieser Studie ausgewählt wurden: Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich (England), Italien und Ungarn. Diese Länder stehen für fünf unterschiedliche Arten des Umgangs mit interkulturellen Fragen oder generell mit der Vielfalt.

Ebenfalls in die Studie aufgenommen wurden, wie gewünscht, der aktuelle Stand der Umsetzung sowie die Wirkung europäischer Mobilitäts- und Austauschprogramme, die für die interkulturelle Erziehung an Schulen von Bedeutung sind (COMENIUS und ERASMUS). Andere in der Aufgabenstellung für die Studie genannte Programme erwiesen sich für das Thema der Studie als nicht signifikant, da sie sich auf die Einrichtung neuer Master- Studiengänge beziehen (ERASMUS MUNDUS) oder keine Daten zu ihrer Umsetzung vorliegen („Jugend in Aktion“ und „Europa für Bürgerinnen und Bürger“). Die beiden letztgenannten Programme wurden gerade erst aufgelegt, so dass es wahrscheinlich noch zu früh dafür ist, Beispiele für ihre Implementierung zu finden.

Als Forschungsansatz wurde die qualitative empirische, vergleichende Untersuchung gewählt. Dieser Ansatz ermöglicht eine eingehende Erkundung der Situation in den ausgewählten Ländern durch die Anwendung von Methoden wie der Analyse von Dokumenten, Befragungen von Experten sowie E-Mail-Fragebögen zu speziellen Themen oder für zusätzliche Auskünfte. Durch eine Kombination dieser Methoden und Informationsquellen wurden fünf Fallstudien erstellt. Wie jede qualitative Studie erhebt auch die vorliegende keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder statistische Repräsentativität. Mit der vergleichenden Methode lassen sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten von nationalen politischen Strategien erkennen. Die Einholung der Meinung von Sachverständigen, die sich seit Jahren eingehend mit diesem Thema befassen, vermittelt Einblicke in die Unterschiede zwischen den geäußerten Absichten und der praktischen Umsetzung, wobei Probleme und Widersprüche angesprochen und analysiert werden. Durch die Schilderung von Beispielen für bewährte Verfahren schließlich kann auf praktische Möglichkeiten der Realisierung von interkultureller Bildung (bzw. verwandter Konzepte) in konkreten nationalen Kontexten, unter bestimmten Gegebenheiten und als Reaktion auf bestimmte Erfordernisse hingewiesen werden.

Die fünf Länder wurden anhand folgender Kriterien ausgewählt: Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich (vor allem England) sind „alte“ Einwanderungsländer mit sehr unterschiedlichen Traditionen im Hinblick auf ihre Einwanderungspolitik, ihr Bildungssystem und ihre pädagogischen Ansätze. Italien ist ein vergleichsweise „neues“ Einwanderungsland. Ungarn ist der Europäischen Union erst vor kurzem beigetreten, und vor dem Land steht nicht so sehr die Frage der Einwanderung, sondern, wie bei allen Mitgliedstaaten Osteuropas, die der Integration nationaler ethnischer Minderheiten. Die fünf Fallstudien stellen die verschiedensten politischen und sozialen Situationen dar, die für einen aufschlussreichen Vergleich geeignet schienen, zugleich aber auch für die Herausarbeitung unterschiedlicher Arten von politischen Konzepten, die für viele der anderen EU-Mitgliedstaaten charakteristisch sind, wie die Ergebnisse bestätigen.

Haupterkenntnisse

Der Begriff „interkulturelle Bildung“ wird nicht in allen Mitgliedstaaten verwendet. Wie bereits bei Eurydice (2004: 58) festgestellt wird, verwenden die meisten Länder in ihrer Politik einen Ansatz, der die Vielfalt der Kulturen und/oder anderer Merkmale aufnimmt; Terminologie und Diskurs sind jedoch unterschiedlich. Bei den fünf Fallstudien haben nur Deutschland und Italien das Konzept der interkulturellen Bildung und Erziehung seit den 1990er Jahren ihr ihren gesamtpolitischen Leitlinien verankert. In beiden Ländern ist das Konzept der interkulturellen Bildung als transversaler Ansatz gedacht, der die meisten Themen abdeckt und sich an alle Schüler und Studenten richtet. Gleichzeitig wird die praktische Anwendung der interkulturellen Erziehung von Kommunalbehörden und Lehrern häufig missverstanden. So ist oft eine Förderung in der Sprache des Aufnahmelandes (L2) sowie die soziale und pädagogische Integration von Migrantenschülern beabsichtigt, wenn Schulen und Lehrer für sich in Anspruch nehmen, für interkulturelle Bildung und Erziehung zu sorgen. Minderheitensprachen (L1) sind an deutschen und italienischen Schulen theoretisch willkommen, doch in der Praxis werden die Muttersprachen von Migranten nur in geringem Maße unterrichtet. In der Lehrerausbildung, die im Tertiärbereich erfolgt, werden interkulturelle Fragen bzw. solche der Vielfalt zwar häufig behandelt, jedoch sind sie nicht obligatorisch. Folglich besteht eine Kluft zwischen offizieller Politik, täglicher Praxis und der Praxis von Hochschulen, vor allem in der Lehrerausbildung. Im deutschen Bildungssystem erfolgt die Auswahl der Schullaufbahn bereits zu einem frühen Zeitpunkt, und die frühkindliche Erziehung ist nicht für jedermann zugänglich, da sie nicht kostenlos gewährt wird. Italien besitzt ein integratives Schulsystem (Gesamtschulen, Sonderpädagogik in reguläre Schulen integriert) sowie ein gut entwickeltes System der frühkindlichen Erziehung, allerdings mit großen qualitativen Unterschieden zwischen dem Norden und dem Süden des Landes.

Frankreich und das Vereinigte Königreich haben seit mindestens zehn Jahren ihre Politik so geändert, dass interkulturelle Bildung (Frankreich) und multikulturelle bzw. antirassistische Erziehung (Vereinigtes Königreich) im allgemeinen Bildungsdiskurs nicht mehr erscheinen. In Frankreich ist die sprachliche und kulturelle Assimilierung – oft „Integration“ genannt – von Schülern mit Migrationshintergrund das Hauptziel. Hauptkonzepte sind Solidarität und Chancengleichheit für alle Schüler und Studenten. Im Vereinigten Königreich werden ethnische Minderheiten in amtlichen Dokumenten hinsichtlich ihrer schulischen Leistungen erwähnt, jedoch nicht im Sinne der multikulturellen Erziehung. Zusätzliche Unterstützung beim Erlernen von Englisch als Zweitsprache wird als notwendig erklärt, doch fehlen oftmals die Mittel. Hauptkonzepte im Vereinigten Königreich sind nationaler Zusammenhalt und Gemeinschaftskunde, wozu die Vielfalt gehören sollte, die von Migranten oder ethnischen Minderheiten repräsentiert wird; gleichzeitig spielt die Glaubensfrage eine große Rolle. Im Gegensatz dazu ist die Religion in Frankreich (bereits seit den 1880er Jahren) vollkommen aus öffentlichen Institutionen ausgeschlossen, so dass sie auch in Bildungsfragen nicht im Vordergrund steht. In beiden Ländern nimmt der Muttersprachenunterricht (abgesehen von Englisch bzw. Französisch), außer bei speziellen Projekten, an den Schulen sehr geringen Raum ein. Interkulturelle Bildung bzw. Gemeinschaftskunde kommen bei der Lehrerausbildung vor, jedoch nur sporadisch und nicht in größerem Umfang. Beide Länder verfügen über Gesamtschulen (wobei zwischen den beiden Systemen wesentliche Unterschiede bestehen) und über eine hoch entwickelte frühkindliche Erziehung.

In Ungarn findet das Konzept der interkulturellen Bildung keine Anwendung. Offiziell wird eine Politik der Integration verfolgt, die für ethnische Minderheiten (Roma) und Schüler mit Behinderungen oder besonderen Bedürfnissen gilt. Die Sprachen der Minderheiten werden an einigen Schulen gelehrt, was hauptsächlich dem Ziel dient, Kindern ethnischer Minderheiten die Schulbildung zu ermöglichen. Da Minderheiten in vielen Fällen an Sonderschulen unterrichtet werden, hat man es mit einer Form der Segregation zu tun. Die Lehrerausbildung wird im Zuge des Bologna-Prozesses und entsprechend der Integrationspolitik reformiert. Das ungarische Schulsystem verfügt (ähnlich wie das deutsche) über Schullaufbahnen sowie über ein gut entwickeltes System der frühkindlichen Erziehung. Somit wird die Integration in einem System hoch selektiver Strukturen betrieben, was als Widerspruch erscheint.

Gemeinsame Probleme in allen fünf Ländern: unzureichende Instrumente für die Qualitätsbewertung und -kontrolle, unzureichende Lehrerausbildung, vor allem in Sachen Fortbildung, und wenig Engagement bei der Umsetzung europäischer Politiken zur interkulturellen Bildung und Erziehung. In vier Ländern besteht eine allgemeine Tendenz zur Förderung der Assimilierung (was nicht dasselbe ist wie Integration) sowie zur ausschließlichen Unterrichtung der Sprache des Aufnahmelandes. Ungarn erscheint hierbei als Ausnahme, da die Lehre von Minderheitensprachen Teil der Politik ist. Interkulturelle Bildung (oder verwandte Formen der Erziehung) werden als notwendig beschrieben, vor allem in den Gegenden, in denen Migranten- oder Minderheitenschüler leben; keine besondere Erwähnung findet jedoch interkulturelle Bildung in ländlichen Gebieten. Auf diesen Aspekt (Stadt/Land) wird auch in der Eurydice-Erhebung (2004) nicht eingegangen. In den fünf Fallstudien lassen sich mehrere Arten allgemeiner Strategien und bewährter Verfahren im Zusammenhang mit interkultureller Bildung (und ähnlichen Konzepten wie Erziehung zur Wertschätzung der Vielfalt, integrative Erziehung und Gemeinschaftskunde) an Schulen nachweisen, die auch in anderen Mitgliedstaaten anzutreffen sind. Interkulturelle Bildung (oder ähnliche Konzepte) lassen sich umsetzen (a) in Bildungssystemen, die strukturell integrativ sind, und (b) in Bildungssystemen, die strukturell selektiv und exklusiv sind. Sie kann sich (c) vor allem an Migranten- und Minderheitenschüler oder (d) ausdrücklich an sämtliche Studenten richten. Außerdem können (e) interkulturelle und diversitätsbezogene Fragen heruntergespielt und Konzepten wie Solidarität oder nationaler Zusammenhalt oder auch Gemeinschaftskunde untergeordnet werden. In allen Mitgliedstaaten ist die Umsetzung erklärter politischer Strategien eher schwierig. Ein Problem ist die erfolgreiche Ausbildung und Integration von Migranten- und Minderheitenschülern aus Familien mit niedrigem Einkommen und niedrigem Bildungsniveau. Das andere Problem besteht in dem Widerspruch zwischen interkulturellen Ideen und dem nationalen und monokulturellen Denken sowie den kulturellen Vorurteilen in der Gesellschaft und in den Schulen.

Mobilitäts- und Austauschprogramme (ERASMUS und COMENIUS) sind bekannt. Allerdings beteiligt sich nur eine sehr geringe Zahl von Schulen an COMENIUS, und den Projekten mangelt es oft an Nachhaltigkeit. ERASMUS gilt als sehr gutes Instrument zur Herausbildung einer interkulturellen Offenheit bei Studenten ganz allgemein, doch liegen keine Angaben dazu vor, wie viele ERASMUS-Studenten tatsächlich an Studiengängen mit besonderem Schwerpunkt auf interkultureller Bildung teilnehmen, so dass die Relevanz für diese Studie begrenzt ist.

Andere Programme wie ERASMUS MUNDUS, „Jugend in Aktion“ und „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ stehen in keinem Zusammenhang mit interkultureller Bildung und Erziehung in der Schule. ERASMUS MUNDUS ist ein Programm zur Entwicklung hochwertiger Master-Studiengänge unter Beteiligung mehrerer Universitäten und internationaler Studenten. Die anderen beiden Programme haben möglicherweise für die interkulturelle Erziehung an der Schule eine gewisse Bedeutung, allerdings liegen bislang noch keine Berichte über realisierte Projekte vor.

Empfehlungen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Problem des Ausgleichs sozialer Ungleichheiten offenbar die Hauptfrage in allen Ländern darstellt, die bereits seit den 1960er Jahren im Mittelpunkt steht und aktueller denn je ist. Soziale Ungleichheiten lassen sich jedoch nicht dadurch kompensieren, dass die kulturelle und sprachliche Vielfalt sowie Fragen im Zusammenhang mit der Identität von Minderheiten sowie mit dem interkulturellen Dialog an Schulen ignoriert werden. Im Gegenteil, es bedarf der Anerkennung und Achtung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt, um soziale Ausgrenzung zu verhindern.

Im Bereich der Schulbildung wirken nicht nur bestimmte nationale politische Strategien, sondern auch manche Ansätze der OECD dem diversitätsfreundlichen und interkulturellen Kurs europäischer Politiken entgegen. Vor allem seit PISA trägt die OECD in erheblichem Maße zur Legitimierung von Tendenzen zur ausschließlichen Verwendung der Sprache des Aufnahmelandes auf Kosten von Migranten- und Minderheitensprachen und der zweisprachigen Erziehung bei. Als Gegenbewegung zu europäischen Politiken zur Förderung der Vielfalt tritt ein Kurs in Erscheinung, der erneut der Assimilierung das Wort redet. Hierbei handelt es sich um eine politische Herausforderung, derer sich die Institutionen der Europäischen Union durchaus bewusst sind und auf die wirksamer reagiert werden muss.

Für die Umsetzung geeigneter und wirksamer politischer Strategien, ob sie nun als interkulturelle Bildung oder integrative oder diversitätsfreundliche Erziehung oder Gemeinschaftskunde bezeichnet werden, sind geeignete strukturelle Bedingungen notwendig. Einige wichtige Aspekte dazu werden im Folgenden aufgeführt:

  • Beaufsichtigung, Kontrolle und Qualitätsbewertung des Lehrstoffs an Schulen.
  • Schulreformen, mit denen die frühe Auswahl sowie Mechanismen der sozialen und ethnischen Ausgrenzung beseitigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die meisten Schulsysteme in Europa und in aller Welt die frühe Auswahl aufgegeben haben und sich bemühen, Gemeinschaftsschulen für alle bis zum Alter von 14, 15 oder sogar 16 Jahren anzubieten, zumeist als Ganztagsschule. qualifizierte frühkindliche Erziehung und Betreuung, bei der auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Migrationshintergrund eingegangen wird. Es ist empirisch belegt, dass eine frühkindliche Erziehung und Betreuung in qualifizierten Einrichtungen eine wertvolle Unterstützung für Familien darstellt und für alle Kinder von größtem Nutzen ist, besonders jedoch, wenn sie in sozial benachteiligten Verhältnissen aufwachsen oder wenn sie sprachliche Förderung in L2 und L1 benötigen.
  • hochwertiger Sprachunterricht sowohl in L2 als auch in L1, wozu geeignete Zeitnischen und eine entsprechende Finanzierung erforderlich sind.
  • Unterrichtsmethoden, die integrativ, kooperativ und individualisiert sind, jedoch nicht dem Kriterium der ethnischen Zurechnung folgen; dazu werden ausreichend finanzielle Mittel und Personal benötigt.
  • Lehreraus- und –weiterbildung ausdrücklich zu interkultureller Bildung, Integration und Vielfalt und/oder Gemeinschaftskunde.
  • Weiterverbreitung bewährter Verfahren über geeignete Kanäle wie z. B. Lehrerausbildung und Internet.
  • Untersuchungen auf Mikroebene (im Unterricht bzw. an der Basis), mit denen mehr darüber in Erfahrung gebracht wird, was im Alltagsleben an den Schulen geschieht.
  • wirksamere Formen des Dialogs zwischen Forschung und Entscheidungsfindung.

Im Bereich der Mobilitäts- und Austauschprogramme ergeben sich folgende Aspekte:

Bei der Auswertung von COMENIUS treten viele positive Wirkungen hervor: interkulturelle Kompetenz, Offenheit und bessere Zusammenarbeit in und zwischen den Schulen. Es besteht allerdings teilweise ein Missverhältnis zwischen europäischen und nationalen (und in einigen Fällen – in föderal geprägten Staaten – regionalen) politischen Strategien.

Die Sprache stellt ein großes Problem dar. Ein weiteres Problem für Studenten besteht darin, dass die akademische Kultur von Land zu Land unterschiedlich ist. Durch den Bologna-Prozess wird eine gewisse Harmonisierung der Strukturen herbeigeführt, wobei jedoch glücklicherweise historisch bedingte kulturelle Unterschiede nicht neutralisiert werden. Damit Studenten von den interkulturellen Erfahrungen profitieren können, müssen sie besser auf ein Auslandsstudium vorbereitet werden. Die Sprachfrage muss in den einzelnen Ländern genauer beleuchtet werden: Bei Bildungssystemen, in denen der Fremdsprachenunterricht bisher vernachlässigt wurde, bedarf es entsprechender Verbesserungen.

Mit besseren Strategien der Entscheidungsfindung sollten zudem die Synergien zwischen der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, dem Europarat und den einzelnen Staaten ausgebaut werden. Die internationale, die europäische und die interkulturelle Dimension der Schulbildung wird nicht von allen Akteuren in Politik und Pädagogik als notwendig angesehen. Erforderlich sind bessere Informationen, einfachere und schlankere Verwaltungsstrukturen sowie eine entsprechende Qualitätsbewertung, und diese Aufgabe sollte die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit den nationalen Stellen und Ministerien lösen.


Fußnoten

1 Die Umsetzung allgemeiner politischer Strategien und von Beispielen für bewährte Verfahren lässt sich aufgrund fehlender Evaluierungsberichte zu dieser Frage nicht für alle Mitgliedstaaten überprüfen. In Anbetracht der verfügbaren Zeit und des begrenzten Budgets konnte diese Aufgabe im Rahmen der vorliegenden Studie nicht ausgeführt werden.