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Material 2

Eines Tages trifft Rico Oskar zufällig auf der Straße, nachdem er eingekauft hat.

Tief- und hochbegabt

Ich ging langsam über den Gehsteig, den Blick auf die grauen Pflastersteine am Boden gerichtet. Ich sah ein zerknülltes Duplo-Papierchen. Ich sah ein paar Scherben, die vor den großen Altglascontainern verstreut lagen und eine alte ausgetretene Zigarrettenkippe. Dann sah ich zwei kleine Füße mit hellen Strümpfen in offenen Sandalen.

Ich hob den Kopf. Der Junge, der da vor mir stand, reichte mir gerade bis an die Brust. Das heißt, sein dunkelblauer Sturzhelm reichte mir an die Brust. Es war ein Sturzhelm, wie Ihnen Motorradfahrer tragen. Ich hatte gar nicht gewusst, dass es die auch für Kinder gibt. Er sah völlig beknackt aus. Das Durchguckding vom Helm war hochgeklappt.

„Was macht du da?“, sagte der Junge. Seine Zähne waren riesig. Sie sahen aus, als könnte er damit ganze Stücke aus großen Tieren rausreißen, einem Pferd oder einer Giraffe oder dergleichen.

„Ich suche was.“

„Wenn du mir sagst, was, kann ich dir helfen.“

„Eine Nudel.“

Er guckte sich ein bisschen auf dem Gehsteig um. Als er den Kopf senkte, brach sich spiegelnd und blendend Sonnenlicht auf seinem Helm. An seinem kurzärmeligen Hemd, bemerkte ich, war ein winziges knallrotes Flugzeug befestigt wie eine Brosche. Eine Flügelspitze war abgebrochen. Zuletzt guckte der kleine Junge kurz zwischen die Büsche vor dem Zaun vom Spielplatz, eine Idee, auf die ich noch gar nicht gekommen war.

„Was für eine Nudel ist es denn?“, sagte er.

„Auf jeden Fall eine Fundnudel. Eine Rigatoni, aber nur vielleicht. Genau kann man das erst sagen, wenn man sie gefunden hat, sonst wäre es ja keine Fundnudel. Ist doch logisch, oder?“

„Hm …“ Er legte den Kopf leicht schräg. Der Mund mit den großen Zähnen drin klappte wieder auf. „Kann es sein, dass du ein bisschen doof bist?“

Also echt.

„Ich bin ein tiefbegabtes Kind.“

„Tatsache?“ Jetzt sah er wirklich interessiert aus. „Ich bin hochbegabt.“

Nun war ich auch interessiert. Obwohl der Junge viel kleiner war als ich, kam er mir plötzlich viel größer vor. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Wir gucken uns so lange an, dass ich dachte, wir stehen hier noch, wenn die Sonne untergeht. Ich hatte noch nie ein hochbegabtes Kind gesehen, außer mal im Fernsehen bei Wetten, dass …? (…)

„Ich muss jetzt weiter“, sagte ich endlich zu den Jungen. „Bevor es dunkel wird. Sonst verlaufe ich mich womöglich.

aus: Andreas Steinhöfel, Rico, Oskar und der Tieferschatten, Carlsen Verlag, S.31-34
  1. Lies den Text und

    1. fasse zusammen, wie Rico Oskar wahrnimmt und wie er ihn beschreibt.

      *Differenzierung: Eine Perspektive ansatzweise, z.B. mit einzelnen Begriffen vorgeben

    2. beschreibe in einer Denkblase, wie du dich anstelle von Oskar bei der Begegnung mit Rico fühlen würdest.

  2. Diskutiert, ob eurer Meinung nach Rico und Oskar leicht Freunde werden können.
  3. Stellt euch vor, was beiden helfen würde, wenn sie Freunde wären und was vielleicht schwierig sein könnte.

 

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