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Aufgabe zur Vertiefung

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Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Kommentar zum Thema sexuelle Selbstbestimmung

In ihrem Pass wird die 62jährige dem männlichen Geschlecht zugeordnet, da ihre äußeren Geschlechtsmerkmale männlich sind. Sie selbst bezeichnet sich jedoch als transsexuell, sie fühlt sich als Frau und lebt als solche homosexuell orientiert mit einer anderen Frau zusammen.

Eine Geschlechtsumwandlung durch einen operativen Eingriff, der die Änderung des Personenstandes im Pass und die Zeugungsunfähigkeit zur Folge gehabt hätte, kamen für die  62jährige nicht in Frage. Das Transsexuellengesetz der BRD bezeichnet diese Möglichkeit als sog. „große Lösung“, als „kleine Lösung“ gilt das Ändern des Vornamens, um das Leben im anderen Geschlecht zu vereinfachen – für diese Möglichkeit hatte sich die Klägerin im vorliegenden Fall entschieden.

Konkret geht es in dem zu kommentierenden Fall um die Frage,  inwiefern Transsexuelle das Recht auf Eintragung einer Lebenspartnerschaft haben. Diese Lebenspartnerschaft ist vom Gesetz her ausschließlich für gleichgeschlechtliche Paare vorgesehen und verschafft diesen  ähnliche Vorteile (z.B. rechtliche Absicherungen) wie verheirateten Paaren. Weil der Personenstand der Klägerin im rechtlichen Sinne männlich ist, verweigert der Standesbeamte die Eintragung der Lebenspartnerschaft. Auch das Urteil des Gerichts bestätigt diese Entscheidung  und verweist das Paar auf die Möglichkeit der Eheschließung. Die 62jährige müsste dazu die Rolle und Identität eines Mannes einnehmen – was ihr unzumutbar erscheint. Sie reicht Klage beim Bundesverfassungsgericht ein. Dieses gibt der Klägerin Recht: Eine operative Angleichung der  äußeren Geschlechtsmerkmale ist nicht das entscheidende Merkmal der Geschlechtszugehörigkeit, sondern das eigene Identitätsempfinden der Klägerin. Sie darf nicht in eine Geschlechterrolle gezwungen werden, die ihrer selbst empfundenen nicht entspricht.

In der Begründung wird dem eigenen Geschlechtsempfinden demnach ein höheres Gewicht beigemessen als der rechtlichen und biologischen Geschlechtszugehörigkeit. Sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht muss so verstanden werden, dass jeder Mensch selbst seine Geschlechtszugehörigkeit bestimmen kann und dabei äußere Merkmale, sowie soziale Merkmale einer Rolle (Gender) kein zwingendes Kriterium sein dürfen. Dieses Menschenrecht spiegelt das Grundgesetz der BRD, wie der oben skizierte Fall zeigt,  nicht unweigerlich wieder. Es klassifiziert in „männlich“ und „weiblich“ und ignoriert dabei die Vielfalt von der Norm abweichender Sexualpraktiken und Lebensformen.  Hat in dieser Hinsicht tatsächlich ein Wertewandelt stattgefunden oder ist mit der rechtlichen Akzeptanz von Homosexualität schon „Ende der Fahnenstange“?
Für mich stellt sich die Frage, wer oder was macht es  notwendig,  Menschen geschlechtlich zu klassifizieren? Was für ein Menschenbild steckt eigentlich dahinter? Eines, das Menschen, wie z.B. Andrej Pejic, der sehr erfolgreich als Mann und als Frau modelt, nicht einordnen kann, denn keine der beiden Kategorien scheint für ihn zu passen.

Themen wie "Geschlechtliche Identität" und "Sexuelle Selbstbestimmung" sind im Menschenrechtsdiskurs heute zwar verstärkt sichtbar, stoßen aber nach wie vor auf Widerspruch und Widerstand. Viele rechtliche und ethische Fragen der sexuellen Selbstbestimmung von Lesben, Schwulen trans- und intersexuellen Menschen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene sind völlig ungeklärt.

→ Zusätzliche (rechtliche) Informationen, z.B. zum Transsexuellengesetz, siehe  z.B. www.bverfg.de/pressemitteilungen/bvg11-007.html

 

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