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Konsequenzen und Fazit

Konsequenzen

Analyse des Bildungsplans

Um die Anzahl der Begriffe im Bildungsplan bewältigbar zu machen, bedarf es der Hierarchisierung – wie sie übrigens der Bildungsplan selbst immer wieder vornimmt (allgemeiner Begriff – Doppelpunkt – Unterbegriffe). Denkt man diesen Ansatz nun konsequent weiter, lassen sich Begriffe in verschiedene Kategorien (s.o.: 2.2, 2.4, 2.5) einteilen, für die dann auch ein unterschiedliches „Operationen-Menü“ (2.3) gilt. Im Folgenden wird dieser Ansatz auf die Begriffe der ersten drei Standards der Kursstufe angewandt. Da die Zu- bzw. Einteilung von Begriffen nicht nur schwierig, sondern auch subjektiv ist, finden sich in der folgenden Matrix keine klar getrennten Stufen oder Zuordnungen und auch keine klar zugewiesenen Operationen – der Vorschlag versteht sich als offenes Modell, das eine dynamische Interpretation ermöglicht und letztlich auch erzwingt.

Modell

In den vorliegenden Beispielen lässt sich durch eine solche Hierarchisierung die Fülle der als Begriffe zu erlernenden Begriffe deutlich reduzieren. Konkret bedeutet dies bspw.,

  • ... dass die Begriffe „Moderne“ und „Modernisierung“ – entsprechend auch der Standard-Formulierung: „den Begriff der Modernisierung erläutern“ (3.4.1 [1]) – in einem aufwändig(er)en Arrangement zu erlernen sind, das die Schülerinnen und Schüler dazu befähigt, die Begriffe „[zu] beherrschen und sachgerecht und problemorientiert [zu] verwenden“ (S. 9).
  • ... dass das auf Begriffe wie „Verkehrsrevolution“ oder „Kommunikationsrevolution“ dagegen nicht zutrifft, denn diese konkretisieren im Wesentlichen den Begriff „Industrialisierung“; sie geben sozusagen Stoßrichtung und Schwerpunktsetzung vor, sie spielen nur im Kontext „Industrialisierung“ eine Rolle. „Verkehrsrevolution“ und „Kommunikationsrevolution“ stellen in diesem Verständnis Arbeitsbegriffe dar.
  • ... dass es sich bei „Begriffen“ wie „Deutsches Kaiserreich“ oder „Reichsverfassung“ nicht um Begriffe handelt, die als Begriffe zu erlernen, zu beherrschen, zu verwenden und zu problematisieren sind, sondern schlicht um Inhalte, die das zu erarbeitende Pensum umreißen, also um Pensumbegriffe.

Praktische Begriffsarbeit

Die aus den vorangegangenen Punkten gewonnenen Erkenntnisse müssen sich selbstverständlich in der konkreten, unterrichtlichen Begriffsarbeit niederschlagen. Prinzipiell lässt sich dabei festhalten, dass praktische Begriffsarbeit eher selten stattfindet, dass aber häufigere (explizite) Begriffsarbeit wünschenswert wäre. Wie könnte diese – vor dem Hintergrund der vom Bildungsplan vorgegebenen Begriffsvielzahl – realisiert werden, ohne den Geschichtsunterricht zu überfordern?1

Hilfreich ist in diesem Zusammenhang eine von Michael Sauer vorgeschlagene Unterscheidung: „Es bietet sich an, dabei zwischen anlassbezogener und eher punktueller Begriffsarbeit einerseits sowie geplanter und systematischer andererseits zu unterscheiden.“2

Michael Sauer nennt folgende Maximen und konkrete Tipps für die anlassbezogene Begriffsarbeit (Auswahl):

  • ausdrückliche Klärung von Begriffen, die in Quellen oder Darstellungstexten oder im Unterrichtsgespräch vorkommen – kein stillschweigendes Übergehen („Scheinklarheiten“). In diesem Zusammenhang auch: falschen oder unterkomplexen Begriffsgebrauch bei Schülerinnen und Schülern immer ansprechen und optimieren sowie Unterschiede zwischen heutigem und historischem Begriffsgebrauch thematisieren
  • für die Klärung von Begriffen das Schulbuch (Marginalie, Lexikon) nutzen
  • ggf. explizites Ausformulieren von Begriffsdefinitionen (Tafelanschrieb)
  • langfristig evtl. ein eigenes kleines Begriffslexikon oder einer Lernkartei anlegen

Für viele oder sogar die meisten der im Bildungsplan genannten Begriffe dürften diese (tendenziell) niederschwelligen Praxistipps ausreichen. Aufwändigere Arrangements im Sinne einer systematischen Begriffsarbeit bieten sich dagegen für (zentrale) Lernbegriffe an. Für diese empfiehlt Michael Sauer bspw. folgende Ansätze und Verfahren:

  • intensive Arbeit an zentralen komplexen Begriffen, etwa an Epochen- oder wichtigen Deutungsbegriffen. Auch wenn zu diesen häufig hoch differenzierte wissenschaftliche Definitionen vorliegen – etwa zum Begriff „Absolutismus“ –, empfiehlt Sauer zunächst ein „durchaus unterkomplex[es] und holschnittartig[es]“ Grundverständnis zu sichern, das „nach Bedarf und Anlass“3 dann ausdifferenziert und angereichert werden kann. Als Beispiel aus dem Bildungsplan erscheint ein solches „sukzessives“ Vorgehen bspw. für den bereits angesprochenen Begriff der „Moderne“ angebracht und hilfreich.
  • Arbeit mit Begriffsnetzen und Begriffsfeldern. Beide Verfahren zielen auf eine Verankerung im semantischen Feld. Dabei werden bei einem Begriffsnetz Begriffe in Relation zu anderen, gleichsam zum Themenbereich gehörenden Begriffen gesetzt und deren Relation beschrieben (bspw.: „Absolutismus“ – „Monarchie“, „König“, „Gottesgnadentum“, „Adel“); als Darstellungsformen eignen sich Strukturskizzen oder concept maps. Bei einem Begriffsfeld wird prinzipiell gleich vorgegangen, wobei hier über den Vergleich und das Abgrenzen zu benachbarten bzw. konkurrierenden Begriffen das Begriffsverständnis geschärft und ausdifferenziert werden soll (z. B.: Revolution – Rebellion – Revolte – Putsch – Reform ...). Ein Beispiel aus dem Bildungsplan, bei dem sich die Arbeit mit einem Begriffsnetz anbietet, ist der Begriff „Liberalismus“ – „Menschen- und Bürgerrechte“, „Partizipation“, „Pluralismus“, „Verfassung“, „Gewaltenteilung“, „Parlamentarisierung“, „Individualismus“, „Marktwirtschaft“. Die Erarbeitung mit Hilfe eines Begriffsfeldes erscheint bei folgenden Beispielen aus dem Bildungsplan lohnend: „Zweiter Weltkrieg“ – „Vernichtungskrieg“ – „Weltanschauungskrieg“ oder „’Endlösung’“, „Holocaust – Shoa“.
  • Wiederaufgreifen, Ausschärfen und Anreichern von Begriffen: „Wichtige Begriffe, die für verschiedene Themen des chronologischen Durchgangs relevant sind, können jeweils mit Rückbezug auf das frühere Thema aufgegriffen, vergleichend betrachtet, differenziert, erweitert und möglichst auch in ihrem Erklärungswert reflektiert werden.“1 Als Beispiele nennt Sauer die Begriffe „Revolution“ oder „Demokratie“. Ein (weiteres) Beispiel aus dem Bildungsplan wäre etwa: „Wirtschaftsliberalismus“ – „Marktwirtschaft“ – „Soziale Marktwirtschaft“.

Fazit

Mit den hier vorgestellten Analysen, Ansätzen und Tipps sollten Anregungen für einen konstruktiven Umgang mit der Begriffsvielzahl im Bildungsplan der Kursstufe gegeben werden. Diese Anregungen verstehen sich in ihrer Gesamtheit als „Interpretations- und Umsetzungshilfe“, ohne den Bildungsplan und die dort vorgegebenen Begriffe einzuschränken oder aufzuweichen. Freilich bleibt der Umgang mit über 200 bzw. 300 Begriffen eine riesige Herausforderung.

 

1 Sauer, M.: Begriffslernen und Begriffsarbeit im Geschichtsunterricht, Frankfurt/M. 2019; Rezension zu dieser Veröffentlichung in: gfh 1 (2020), S. 31.

2 Ebd., S. 32. Zum Folgenden: S. 32-35.p

3 Ebd., S. 33f.

3 Ebd., S. 34f.

 

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