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Gesetzliche Grundlagen umsetzen – Chancengleichheit schaffen

Gesetzliche Grundlagen - Rechte kennen und umsetzen

Menschen mit einer Hörschädigung sollen wie alle nicht behinderten Menschen die gleichen Möglichkeiten zur Teilhabe in der Gesellschaft haben. Dafür „…muss man Menschen unterschiedlich behandeln, um sie auf gleichen Fuß zu stellen.“, wie der Philosoph Ole Thyssen es ähnlich beschrieben hat. In unserer Gesellschaft helfen gesetzliche Regelungen den Weg zur praktizierten Gleichheit zu ebnen.

Gesetzliche Grundlagen

Chancengleichheit und Teilhabe für Menschen mit einer Hörschädigung sind in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich geregelt:

Im Grundgesetz (Artikel 3 Abs. 3) der Bundesrepublik Deutschland und in der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (Artikel 2b) wird ein Diskriminierungsverbot gegenüber Menschen mit Behinderung ausgesprochen.

Durch die Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention, BRK) durch den Deutschen Bundestag am 26. März 2009 verpflichtete sich Deutschland, den Prozess der Inklusion behinderter Menschen in der Gesellschaft voranzutreiben. In Artikel 24 wird der Aspekt Bildung in den Fokus genommen. Die Vertragsstaaten erkennen das Recht von Menschen mit Behinderung auf Bildung an. Sie stellen den Zugang zu integrativem (dt. Übersetzung), hochwertigem und unentgeltlichem Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen sicher und richten Unterstützungssysteme ein, um die erfolgreiche Bildung zu gewährleisten. Zur vollen und gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft versetzen die Mitgliedsstaaten Menschen mit Behinderungen in die Lage, lebenslang lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen zu erwerben. Dazu gehört, das Erlernen der Gebärdensprache zu erleichtern und die sprachliche Identität von gehörlosen Menschen zu fördern. Besonders bei Kindern und Jugendlichen mit Gehörlosigkeit oder Taubblindheit stellen die Mitgliedsstaaten sicher, dass die Bildung in den Sprachen und mit den Kommunikationsmitteln erfolgt, die für den einzelnen die bestmögliche schulische und soziale Bildung sichert.

Im schulischen Kontext regelt das Schulgesetz von Baden-Württemberg die Schulpflicht für Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung.

In der Schulgesetznovellierung am 15. Juli 2015 verabschiedete der Landtag von Baden-Württemberg die Änderung des Schulgesetzes zur Inklusion. Die Sonderschulpflicht wurde aufgehoben. Eltern und/oder Schülerinnen und Schüler mit einem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot können wählen, ob die Ansprüche inklusiv an einer allgemeinen Schule umgesetzt werden oder ob Kinder und Jugendliche ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum, Förderschwerpunkt Hören, besuchen möchten.

Diese Grundlagen führten zu weiteren gesetzlichen Regelungen, die Vorgehensweisen konkretisieren. Im schulgesetzlichen Bereich gehören dazu:

  • die SBA-VO (2016-08)
  • die Rahmenkonzeption sonderpädagogischer Dienst (2017-07)
  • die VwV Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf und Behinderungen (1999, zuletzt geändert 2008)
  • die VwV sonderpädagogischer Dienst
  • die VwV Nachteilsausgleich (2017-08)

Im sozialgesetzlichen Bereich sind Regelungen aus dem Sozialgesetzbuch handlungsleitend.

Zu beachten ist immer, dass die Regelungen im Wege der Einzelfallprüfung angewandt werden müssen. Ein offener Umgang miteinander und Verständnis füreinander unterstützt die Umsetzung von Chancengleichheit. Informationen über Einschränkungen z. B. im Hören helfen den nichtbehinderten Partnern, gewährte Unterstützungsmaßnahmen wie z. B. den Nachteilsausgleich einordnen zu können und sie nicht als eine Bevorzugung eines einzelnen zu bewerten.

Das kann ich tun

Lehrerinnen und Lehrer Schülerinnen und Schüler
  • Ich kenne die gesetzlichen Festschreibungen in Bezug auf Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen:
    • § 15 Schulgesetz Baden-Württemberg
    • Artikel 2b Verfassung des Landes Baden-Württemberg
    • Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
    • Artikel 24 Behindertenrechtskonvention
  • Ich thematisiere Grundrechte des Grundgesetzes und der Landesverfassung im Unterricht.
  • Ich thematisiere Werte und Normen in Bezug auf vielfältige Lebensentwürfe in meinem Unterricht.
  • Ich nehme die Vielfalt in Gesellschaft und Schule in Bezug auf Hörschädigungen in den Blick.
    • Ich besuche eine Partnerklasse in einem SBBZ.
    • Ich lade erwachsene Personen mit Hörschädigung in den Unterricht ein.
    • Ich lade die Beratungslehrkraft ein, um den Schülerinnen/Schülern Aspekte der Gebärdensprache zu vermitteln.
    • Ich erörtere die Vielfalt von Sprachen (Laut- und Gebärdensprachen).
  • Ich fordere Unterstützung an bei
    • SOPÄDIE Hören (allgemeine und berufliche Schule)
    • SOPÄDIE an beruflichen Schulen
    • Arbeitsstelle Kooperation (ASKO) an den Staatlichen Schulämtern (SSA)
    • Eingliederungshilfe-Stelle am Landratsamt (LRA)
    • Rehabilitationsberater der Agentur für Arbeit
  • Ich kenne Rechte und Pflichten als Mensch mit Behinderung.
    • Ich kläre über meine Bedürfnisse auf.
    • Ich fordere Unterstützung ein.
    • Ich unterstütze bei der Umsetzung von verabredeten Maßnahmen.
  • Ich kenne verschiedene Bildungswege.
    • Ich kenne das Unterrichtsangebot eines SBBZ.
    • ch nehme Kontakt zu anderen Schülerinnen und Schülern mit Hörschädigung und/oder zu Schülerinnen und Schülern eines SBBZ Förderschwerpunkt Hören auf.
    • Ich nutze Seminarangebote des sonderpädagogischen Dienstes allein und/oder gemeinsam mit hörenden Freundinnen/Freunden.
  • Ich kenne Interessengruppen und Vereine.
  • Ich kenne kulturelle Unterschiede zwischen gehörlosen und hörenden Menschen.
  • Ich interessiere mich für Gebärdensprache.
  • Ich frage bei verschiedenen Diensten um Unterstützung an:
    • SOPÄDIE Hören (allgemeine und berufliche Schule)
    • SOPÄDIE an beruflichen Schulen
    • Arbeitsstelle Kooperation (ASKO) an den Staatlichen Schulämtern (SSA)
    • ReHa-Berater der Agentur für Arbeit
    • Beratungsstelle für Menschen mit Hörschädigung
    • Eingliederungshilfe-Stelle am Landratsamt (LRA)
    • Integrationsfachdienst (IFD)

Nachteilsausgleich – Chancengleichheit schaffen

Schülerinnen und Schüler mit einer Hörschädigung haben aufgrund ihrer Beeinträchtigung grundsätzlich einen Nachteil gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern ohne Beeinträchtigung. Das eingeschränkte Hörvermögen fordert von ihnen im Unterrichtsgeschehen und bei Leistungsmessungen weit mehr an Aufmerksamkeit und Anstrengung, so dass die Herstellung von Chancengleichheit1 gegenüber Mitschülern ohne Beeinträchtigungen notwendig ist. Diese Herstellung von Chancengleichheit ist auch rechtlich geboten und wird durch den Nachteilsausgleich geschaffen.

Der Nachteilsausgleich bezieht sich auf organisatorische, technische und methodisch-didaktische Maßnahmen. Die Maßnahmen ermöglichen es den Betroffenen, ihre individuellen Fähigkeiten abzurufen und dadurch Wege zum schulartgemäßen Niveau zu ebnen. Maßnahmen des Nachteilsausgleichs stellen keine Herabsetzung des schulartgemäßen Niveaus dar und dürfen aus diesem Grunde auch nicht im Zeugnis erwähnt werden.

Die Maßnahmen zum Nachteilsausgleich kommen zustande aufgrund einer pädagogischen Entscheidung, die allein der Klassen- oder Jahrgangsstufenkonferenz unter Vorsitz des Schulleiters obliegt. Betroffene Schüler und Eltern werden frühzeitig in die Entscheidungsfindung einbezogen. Es ist zu empfehlen, den Inhalt des Nachteilsausgleichs schriftlich zu dokumentieren. Ein Nachteilsausgleich bezieht sich im konkreten Einzelfall auf die jeweiligen Voraussetzungen der Schülerin oder des Schülers im Hinblick auf den von ihr oder ihm besuchten Bildungsgang mit seinem jeweiligen Anforderungsprofil und jeweils in den einzelnen Fächern. Ändern sich diese Ausgangsvoraussetzungen oder der Bildungsgang, ist der Nachteilsausgleich wieder neu zu prüfen und anzupassen. Die Maßnahmen des Nachteilsausgleichs sind bindend für alle Lehrkräfte. Die formale Feststellung eines besonderen Förderbedarfs oder eines sonderpädagogischen Beratungs- und Unterstützungsbedarfs ist nicht Voraussetzung für einen Nachteilsausgleich. Die Gewährung liegt in der alleinigen Verantwortung der allgemeinen Schule.

Als Entscheidungshilfe für einen geeigneten Nachteilsausgleich können Expertenmeinungen eingeholt werden. Bewährt hat sich besonders die Einbeziehung des sonderpädagogischen Dienstes – Förderschwerpunkt Hören. Außerschulische Stellungnahmen oder Gutachten erleichtern teilweise die Entscheidungsfindung. Die Einbeziehung solcher Unterlagen ist jedoch eine Kann-Bestimmung und wenn diese Unterlagen bei pädagogischen Entscheidungen einbezogen werden, wird dennoch letztlich von der Schule aus pädagogischer Sicht geprüft und entschieden, welche Auswirkungen die festgestellten Behinderungen oder Beeinträchtigungen in dem besuchten Bildungsgang haben und welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht und bei Leistungsmessungen zu ermöglichen. Da der Nachteilsausgleich lediglich Beeinträchtigungen ausgleicht, damit diese nicht zu Nachteilen für die Betroffene/den Betroffenen führen, wird das Anforderungsprofil nicht herabgesetzt. Alle Schülerinnen und Schüler erfüllen das gleiche Anforderungsprofil, der Grundsatz der Chancengleichheit wird dadurch gewährleistet. Da keine Bevorzugung von Schülerinnen und Schülern mit einer Hörschädigung stattfindet, kommt es auch nicht zu einer Benachteiligung anderer Schülerinnen und Schüler ohne Beeinträchtigung.

 

1 Alle kursiv dargestellten Teile sind Zitate aus „FAQ zur Umsetzung des Nachteilsausgleichs und zur Deckung von Förderbedarfen an beruflichen Schulen“ zu finden auf der Seite des Kultusministeriums https://km-bw.de/,Lde/Startseite/Schule/FAQs+Nachteilsausgleich+und+Deckung+des+Foerderbedarfs (Stand 06.10.2020)

 

Schülerinnen und Schüler mit einer Hörschädigung: Herunterladen [pdf][7,0 MB]

 

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