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Unterrichtblock 2: Selektive Wahrnehmung

Ziel:

Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass Wahrnehmung selektiv ist und von zahlreichen subjektiven Wahrnehmungsfiltern abhängt, die in weiten Teilen unbewusst sind und die Interpretation und Bewertung des Beobachteten stark beeinflusst.

Schritt 1: Gorilla-Experiment

Die Schülerinnen und Schüler schauen sich ein Video der amerikanischen Psychologen Simons und Chabris an, das ein schwarz- und ein weißgekleidetes Team beim Basketballspiel zeigt und erhalten folgenden Arbeitsauftrag: Das ist ein Konzentrationstest. Zählt, wie oft sich die Mitglieder der weißgekleideten Mannschaft den Ball zuwerfen. (Videosuche: Gorilla-Experiment)

Schritt 2: Ergebnisbesprechung

Die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler werden mithilfe folgender Fragen besprochen:

  • Wie oft haben sich die Mitglieder der weißen Mannschaft den Ball zugeworfen?
  • Ist euch beim Zählen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?

Bei dem Gorilla-Experiment handelt es sich nicht um einen Konzentrations-, sondern um einen Wahrnehmungstest. Denn im Laufe des Films läuft eine im Gorillakostüm gekleidete Frau durchs Bild, bleibt in der Mitte stehen und trommelt sich auf die Brust. Laut Studien von Daniel Simons fällt jedoch circa der Hälfte der Zuschauerinnen und Zuschauer die kostümierte Frau nicht auf.

Der Tübinger Psychologieprofessor Boris Kotchoubey erklärt das Ergebnis wie folgt: „Wir nehmen gezielt das wahr, was unserer aktuellen Aufgabe, unserem Ziel oder unseren Bedürfnissen entspricht […] Ein Mensch beschäftigt sich mit dem, was ihm aktuell wichtig ist. Wer Hunger hat, wird eher alles bemerken, was mit Essen oder Restaurants zu tun hat.“ 1

1 www.focus.de/wissen/mensch/selektive_wahrnehmung/teil-2_aid_23360.html, 04.12.2014

 
Schritt 3: Eisbergmodell

Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten ein Arbeitsblatt zum Eisbergmodell, das versinnbildlicht, dass nur ein geringer Teil der Wahrnehmung einer Kommunikationssituation von bewussten Faktoren abhängig ist. Der weitaus größere Teil hängt von unbewussten Wahrnehmungsfiltern ab; diese unbewussten Wahrnehmungsfilter sind dementsprechend weitgehend für die Bewertung der Kommunikationssituation verantwortlich und damit auch für das weitere (kommunikative) Handeln.

Die Schülerinnen und Schüler sollen zentrale Begriffe des Modells dem Schaubild zuordnen.

Schritt 4: Ergebnisbesprechung

Lösung:

Sichtbar/bewusst: Körpersprache, Worte

Unsichtbar/unbewusst: Vorgeschichte, Selbstwertgefühl,  Absichten, Stimmung, Vorstellungen, Bedürfnisse, Erfahrungen

Schritt 5: Beobachtung, Interpretation oder Bewertung?

Das in subjektiver und selektiver Weise Wahrgenommene wird vor dem Hintergrund der eigenen Persönlichkeit und momentanen Verfassung nochmals interpretiert und bewertet. Dabei wird oft nicht zwischen diesen Handlungen unterschieden. Interpretationen und Bewertungen werden häufig wie Tatsachen behandelt. Kommunikationsstörungen können die Folge sein.

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich anhand eines Arbeitsblattes mit unterschiedlichen Aussagen über andere auseinander und überlegen, ob es sich um eine Beobachtung, eine Interpretation oder um eine Bewertung handelt.

Schritt 6: Ergebnisbesprechung

Lösung

Schritt 7: Hausaufgabe/Transfer

Die Schülerinnen und Schüler wählen eine Aussage des Arbeitsblattes aus, die eine Interpretation oder eine Bewertung darstellt und überlegen sich zum einen, welche Faktoren bekannt sein müssen, um die Aussage des Senders zu verstehen (z. B. Stimmung, Vorgeschichte, Einstellung, Selbstwertgefühl, Erfahrungen usw. des Senders), zum anderen, welche Folgen diese Interpretation oder Bewertung für den Sender haben können.

Schritt 8: Ergebnisbesprechung

Beispiel zu der Aussage: „Auf dem Schulhof hat sie mich nicht beachtet.“

Diese Aussage stellt keine Beobachtung, sondern eine Interpretation von Verhalten dar. Auf einer Beobachtung würde die Aussage dann basieren, wenn sie beispielsweise lautete: „Als wir auf dem Schulhof waren, ist sie nicht zu mir gekommen und hat auch nicht mit mir gesprochen.“ Mögliche Faktoren, die zu der Interpretation geführt haben, der Sender würde nicht von Person X beachtet werden, könnten zum Beispiel sein: ein Streit am Vortag mit Person X, ein mangelndes Selbstwertgefühl des Senders, die Erfahrung, dass normalerweise Person X jede Pause mit dem Sender verbringt, starke Verlustängste des Senders usw. Diese Liste an möglichen Faktoren ließe sich endlos weiterführen.

Bei der Ergebnisbesprechung sollte deutlich werden, dass Interpretationen von subjektiven Faktoren abhängen, die nicht immer den Tatsachen entsprechen. So könnte beispielsweise Person X den Sender nicht gesehen haben, in Gedanken vertieft gewesen sein usw. Auch an dieser Stelle ließen sich die Ursachen oder Gründe von Person X endlos weiterführen.

Die oben genannte Interpretation des Senders, Person X habe ihn auf dem Schulhof nicht beachtet, könnte folgende Konsequenzen für den Sender haben: er ist wütend, enttäuscht, traurig, er leidet, er meldet sich nicht mehr bei Person X, macht Person X Vorwürfe usw. Dies ist insbesondere insofern problematisch, als die Interpretation nicht den Tatsachen entsprechen muss und die Kommunikationsstörung vermieden hätte werden können, indem zwischen Beobachtungen und Interpretationen unterschieden wird und im Zweifelsfall Interpretationen durch Nachfragen abgesichert werden.

Weiter zu: Arbeitsblatt: Eisbergmodell