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Wirksame Prozesse inklusiver Bildung

Das grundlegende Programm wirksamer inklusiver Bildung wird im wissenschaftlichen Programm der „evidenzbasierten Praxis“ fassbar (Gable et al., 2012; Hillenbrand, 2015; Nußbeck, 2007). Der Begriff „evidence based“ gilt als Qualitätskriterium wirksamer Maßnahmen, sei es in pädagogischen, psychologischen oder medizinischen Kontexten. Es „ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der EbM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestverfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung“ (Sackett et al. 1997, S. 644). Auf pädagogisches und sonderpädagogisches Handeln transferiert (Odom et al., 2005) meint dieser Ansatz, die an den Praxisbedingungen orientierte Verbindung von professioneller Analyse der Situation mit Maßnahmen, deren Wirksamkeit durch anspruchsvolle wissenschaftliche Forschung belegt wurde (Grünke, 2006; Hillenbrand, 2014; Nußbeck, 2007; Walter, 2002).

Legt man diese Kriterien an pädagogisches und sonderpädagogisches Handeln an, dann werden zahlreiche Maßnahmen, die als gute Praxis gelten, fragwürdig. Viele Verfahren wurden bisher nicht wissenschaftlich evaluiert, bei anderen belegen Studien das Fehlen der Wirksamkeit, so schon Walter (2002). Das Wissen von (angehenden) Lehrkräften, auch der Sonderpädagogik, über die Wirksamkeit von Maßnahmen ist sehr eingeschränkt (Grosche & Grünke, 2008, Runow & Borchert, 2003), obwohl es wertvolle Chancen für die erfolgreiche Bewältigung von Aufgaben inklusiver Bildung bietet (Gable et al., 2012). Aufgrund der wissenschaftlichen Bemühungen in den letzten Jahren bestehen inzwischen auch im deutschen Sprachraum sehr gute Informationsmöglichkeiten, die einen fundierten Überblick wirksamer Verfahren bieten (Gold, 2011; Grüne Liste Prävention; Grünke, 2006; Hattie, 2013, 2014; Walter, 2002; Wember, 2015). An den zentralen Bereichen der Unterstützung bei Lern- und Verhaltensschwierigkeiten können die grundlegend wirksamen Ansätze knapp skizziert werden.

Während verbreitet sogenannte „offene“ Ansätze des Lernens präferiert werden, belegen die internationalen Befunde zusammenfassend, dass „im Hinblick auf die allermeisten Lernziele ein eher lehrkraftgesteuertes und gut geplantes Vorgehen angebracht ist, bei dem die Inhalte oder die Strategien explizit, redundanzreich und schrittweise vermittelt werden“ (Grünke 2006, S. 251). Insbesondere die Vermittlung geeigneter Lernstrategien bei aktivierender Anleitung durch die Lehrkraft verspricht demnach den größten Erfolg (Grünke 2006, Swanson & Hoskyn 1998), denn Lernschwierigkeiten gehen häufig mit Problemen einher, das eigene Lernen zu strukturieren, planvoll vorzugehen und Lernstrategien zielgerichtet einzusetzen. Für die Grundschule liegen bereits geeignete Darstellungen zu evaluierten Maßnahmen im deutschsprachigen Raum vor (Hagen & Hillenbrand, 2012, Mahlau et al., 2011). Als erfolgversprechend können Ansätze mit einer klaren didaktischen Strukturierung auf Basis einer empirisch fundierten Theorie eingeschätzt werden, wie beispielsweise gut strukturierte Maßnahmen zur Leseförderung. Souvignier (2009) arbeitet fünf Merkmale effektiver Leseförderung heraus:

  1. Lesestrategien vermitteln (bspw. Zusammenfassen, Fragen generieren, Klären von Begriffen),
  2. metakognitive Kompetenzen aufbauen (planvoller Einsatz von Strategien, Überwachung des eigenen Leseverstehens),
  3. Textstrukturwissen vermitteln (Wissen über den Aufbau von Texten),
  4. Strategiewissen explizit instruieren (initiale Vermittlung von Lesestrategien) und
  5. Peer-Tutoring-Methoden einsetzen (eigenverantwortliches Einüben der Strategienutzung in Klein- gruppen).

Etablierte Verfahren wie das „Leichter lesen und schreiben lernen mit der Hexe Susi“ (Forster & Martschinke, 2009) oder die „Textdetektive“ (Gold et al., 2006), zu der mit den „Lesedetektiven“ (Rühl & Souvignier, 2006) eine Intensivierung für schwache Leserinnen und Leser vorliegt, realisieren solch gut fundierte Verfahrensweisen.
Im Bereich mathematischen Lernens zeigen die vorliegenden Metaanalysen ganz ähnliche Verfahren wirksamer Förderung (Reinck, et al., i. V.). Insbesondere die Methoden Direkte Instruktion, Tutorielles Lernen und Feedback sowie deren Kombination stellen eine geeignete, empirisch belegte Rahmenstruktur für die Methodik des Mathematikunterrichts dar. Die Direkte Instruktion, die nicht mit dem klassischen Frontalunterricht zu verwechseln ist (Wember, 2007), eignet sich besonders bei der Einführung neuer Themen. Die hohen Effekte dieser Methode für die Lernleistungen bei mathematischen Inhalten sollten genutzt werden, um zentrale mathematische Inhalte erfolgreich und dauerhaft zu vermitteln. Formen des tutoriellen Lernens eignen sich besonders für das Üben und Festigen mathematischer Inhalte. Sie unterstützen speziell Schülerinnen und Schüler mit Rechenschwierigkeiten in ihrem mathematisch-fachlichen Lernen, in ihrer fachbezogenen Motivation wie auch im Lern- und Arbeitsverhalten. Eine weitere Unterstützung im Mathematikunterricht erfahren Schülerinnen und Schüler mit Rechenschwierigkeiten durch ein gezieltes Feedback. Der Schwerpunkt der Rückmeldungen sollte auf den individuellen Lernfortschritten, beispielsweise in den bewältigten Aufgaben, der bearbeiteten Aufgabenmenge sowie der dafür benötigten Zeit liegen.

Für den anspruchsvollen Bereich der Unterstützung bei emotionalem und sozialem Förderbedarf lassen sich nach einer aktuellen Metaanalyse (Durlak et al., 2011) zwei grundlegende und sich ergänzende Ansätze unterscheiden: ein effektives Classroom Management (Hennemann & Hillenbrand, 2009) und die wirksame Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen, beispielsweise durch wirksame Förderprogramme (Hennemann et al., 2016). Die folgende Abbildung weist gestuft nach ihrer Intensität exemplarisch die wirksamen Maßnahmen der Förderung mit Hilfe von Verfahren des Classroom Managements nach.

Schaubild der Hierarchie von Indizierte Stufe, Selektive Stufe und Universelle Stufe (von oben nach unten)

Wirksame Förderprogramme für verschiedene Altersstufen und Zielgruppen lassen sich leicht über die Homepage Grüne Liste Prävention des niedersächsischen Justizministeriums identifizieren.

Diese wenigen Hinweise zeigen den umfangreichen Wissensstand empirisch fundierter Vorgehensweisen auf. Die Nutzung solcher bewährten Konzepte ist jedoch nicht in allen Ausbildungen und Ausbildungsphasen gegeben. Wie können Lehrkräfte diese Kompetenzen erfolgreich erwerben?

 

Inklusion und Lehrkräftebildung: Herunterladen [pdf][1,4 MB]

 

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