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Interaktionen im Blickfeld - Grundlagen

Auf dem Hintergrund von früheren Erfahrungen und daraus gebildeten Bewertungen und Zuschreibungen über sich und andere nehmen Schüler wie Lehrer aktuelle Situationen wahr. Sie interpretieren diese im Sinne ihrer Erwartungen. Alte Erfahrungen mit wichtigen Bezugspersonen wiederholen sich im Hier und Jetzt.

Besonders wirksam werden solche Mechanismen in Stresssituationen. Wenn Anton wütend ins Klassenzimmer kommt, weil sich die anderen Jungen über ihn lustig gemacht haben, und Herr Müller wegen des morgendlichen Staus genervt ist, können bei beiden alte Muster aktiviert werden. Anton könnte bei einer kleinen Bemerkung eines Mitschülers auf diesen losgehen. Herr Müller könnte ihn anbrüllen: „Schon wieder du! Es reicht! Vor die Tür mit dir!“. Herr Müller, der in der Supervision sein eigenes Verhalten erforscht, entdeckt möglicherweise hinter seinen spontanen Gedanken („dieser unmögliche Anton“), dass er immer wieder denkt als Lehrer nicht gut genug zu sein.

Anton, der vielleicht in seiner Familie schon wenig Zugehörigkeit erfahren hat, erlebt wieder unerwünscht zu sein. Oder spürt er Herrn Müllers momentane Unsicherheit und Hilflosigkeit? Erinnert ihn diese an die Hilflosigkeit anderer wichtiger Bezugspersonen? Sucht er mit seinem provozierenden Verhalten nach einem starken Gegenüber, das ihm gewachsen ist?

Wäre es auch möglich, dass Anton um sein Ansehen innerhalb der Gruppe der Jungen kämpft, indem er Herrn Müller patzig anfährt: „Sie haben mir gar nichts zu sagen!“? Versucht er auf diese Weise vielleicht (unbewusst) zu zeigen, wie mutig er ist, um endlich von den anderen akzeptiert zu werden? Oder möchte er Maria beeindrucken, die ihm gefällt und die ihn schon länger nicht mehr beachtet hat?

 

Exkurs Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung

„Man kann nicht nicht kommunizieren...“ (Watzlawick) – aber eine nicht gelingende Kommunikation kann das gelingende Interagieren sehr erschweren. Wenn Anton nun über keine verbalsprachlichen Möglichkeiten verfügen würde um seine Bedürfnisse, Absichten und Handlungsideen auszudrücken? Oder wenn Anton beispielsweise körperlich altersgemäß entwickelt wie ein angehender Erwachsener erscheint, sein Entwicklungsalter aufgrund von Entwicklungsverzögerungen dem aber eines deutlich jüngeren Kindes etwa in der frühen Ablösungsphase entspricht. Aus dieser wahrgenommenen Diskrepanz entwickeln sich nicht selten Kommunikations- und mithin Interaktionsstörungen („Anton, schmeiß dich doch nicht schon wieder auf den Boden – das gehört sich nicht!“) Das Wissen um (nicht)elektronische Kommunikationshilfen (Unterstützte Kommunikation) kann hier ebenso hilfreich sein wie die Kenntnis zentraler entwicklungspsychologischer Meilensteine, Bindungstheorien und die profunde sonderpädagogische Entwicklungsdiagnostik.

Textausschnitt aus: „Zum Verständnis von herausforderndem Verhalten“ (Kap.6A)

 

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