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Einordnen des Wissens

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Eine Klammer zwischen Erarbeitung und Wiederaufgreifen stellt das Einordnen des Wissens dar, weil es gleichermaßen in beiden Phasen stattfinden sollte. Viele der hier genannten Maßnahmen lassen sich nach der Hattie-Terminologie unter „Metakognitive Strategien“ (d=0,69) einordnen. Es geht hier also um das Denken auf einer höheren Ebene oder schlicht um das Nachdenken über das Denken.

Das Einordnen des Wissens dient als Merk- und Vernetzungshilfe und zur Fehlervermeidung, wobei die genannten Möglichkeiten sicher weiter ergänzt werden können und Überscheidungen erwünscht sind.

Merkhilfen:

  • Analogisieren: Flächeninhaltberechnungen müssen immer, falls man den Variablen die Einheit Meter zuschreibt, zur Einheit Quadratmeter führen. Flächen, die etwas mit Kreisen zu tun haben, erhalten stets den Faktor π.
  • Kontrastieren: Viele Dinge – auch im Alltag – versteht man durch eine direkte Erklärung, um was es sich handelt, nicht vollständig. Oft ist es genauso wichtig auszudrücken, um was es sich nicht handelt. So muss man die quadratischen Gleichungen deutlich mit den linearen (als Rückgriff) und evtl. mit den weiteren Polynomgleichungen (als Vorgriff) kontrastieren. Sonst greifen die Schüler auf Gelerntes zurück zur Lösung der quadratischen Gleichung: Umstellen nach x
  • Modularisieren: Es gilt – wann immer möglich - geeignete Kategorien zu bilden. So berechnet man das Volumen aller senkrechten Körper mit Grundfläche mal Höhe, alle spitz zulaufenden Körper haben noch den Vorfaktor ein Drittel. Damit sind alle wesentlichen Volumenformeln zusammengefasst.

Vernetzung:

  • Umkehraufgaben: In der Mathematik sind viele Rechentechniken als Ventil anzusehen: in eine Richtung geht es leicht, in die andere schwer(er). Addieren und Subtrahieren ist ein Beispiel, aber auch Ableiten und Aufleiten. Auch im Sinne des Kontrastierens sollte man früh anfangen, die üblichen Vorwärtsaufgaben mit Rückwärtsaufgaben anzureichern, auch wenn dies einen Vorgriff darstellt. Das Lösen von Gleichungen können viele Schüler nur dann verstehen, wenn sie Gleichungen rückwärts hergestellt haben („Zahlen verstecken“). Erst dann erlebt man, dass beim Gleichunglösen 'Strich-vor-Punkt-vor-Klammer' gilt.
  • Aufzeigen von Querbezügen: Das Ausmultiplizieren von Summen und Differenzen (bis hin zu den binomischen Formeln) sollte man auch mit Flächen demonstrieren. Die Pfadregel und die Multiplikation von Brüchen sind auf das Engste durch die „Von-Problematik“ verbunden: Eine Sechs zweimal zu werfen hat die Wahrscheinlichkeit ein Sechstel von ein Sechstel.
  • Vergleich verschiedener Lösungswege: Mir scheint, das Bearbeiten einer Aufgabe auf verschiedene Art und Weise ist eher aus der Mode geraten. Man versucht, den Schülern den einfachsten Weg beizubringen. Aber erstens ist der einfachste Weg des Lehrers sicher nicht für alle Schüler der einfachste und zweitens verhindert man damit ein Nachdenken über den Lösungsweg, was zu den effektivsten metakognitiven Strategien gehört. Drittens kann man z.B. durch Bearbeiten der verschiedenen Möglichkeiten zur Berechnung der Lotfußpunkte bei windschiefen Geraden – ganz nebenbei – einen wiederholenden Durchgang durch weite Teile der analytischen Geometrie realisieren.

Kontrollmechanismen:

  • Abschätzungen: Das Schätzen gehört zu den urmathematischen Fähigkeiten. Wer gut schätzt, hat schon viel verstanden und kann fehlerhafte Ergebnisse aussortieren.
  • Plausibilitätsbetrachtungen: Viele Fehler lassen sich vermeiden, indem man sich die (Zwischen-)Ergebnisse plausibel macht. Beim Ausmultiplizieren einer Summe und einer Differenz müssen (zunächst) vier Terme auftreten, zweimal mit „minus“, zweimal mit „plus“. Bei binomischen Formeln mit linearen Klammerinhalten müssen alle Ergebnisterme insgesamt quadratisch sein.
  • Rückgriff auf (einfache) Beispiele: Was mit Variablen nicht verstanden wird, kann mit Zahlen erschlossen werden. Oft kommen für Schüler nur zwei Möglichkeiten in Frage: Wird beim ersten Potenzgesetz im Exponenten addiert oder multipliziert? Durch Rückbesinnung auf die Potenz als fortgesetzte Multiplikation (nicht auf eine Formel!) ist das schnell geklärt. In komplexeren Termen kann man Teilterme durch einzelne Variablen oder Zahlen ersetzen, weggelassene Malzeichen oder Klammern wieder einfügen usw.

Insgesamt geht es beim Einordnen des Wissens also darum, sowohl bei der Erarbeitung als auch in Phasen des Wiederaufgreifens Rückgriffe und gelegentlich auch Vorgriffe zu organisieren. Die Kontrollmechanismen müssen ebenso wie Termumformungen geübt werden. Sie gehören zum produktiven Umgang mit Fehlern (auch eine Metastrategie), auf die ich hier noch kurz eingehe.

Eine Erklärung des Fehlers durch den Lehrer kann nur ein erster Schritt sein. Ziel sollte es aber sein, dass die Schüler ihre gemachten Fehler (vom Lehrer genannt oder angestrichen bekommen und) selbst analysieren, um sie schließlich in Zukunft selbst zu entdecken und zu vermeiden.

Auch die gemeinsame Besprechung und Aufdeckung von typischen Fehlern (wie sie auch in vielen Schulbüchern angeboten wird: „Finde den Fehler“) ist nur eine Vorstufe. Viele Schüler sehen – aus nachvollziehbaren Gründen – nur dann Sinn in der Fehlersuche und –analyse, wenn es sich um eigene, persönliche Fehler handelt. Dazu können die Schüler z.B. ein „Fehlervokabelheft“ führen, in das sie links den Fehler und rechts die Analyse notieren.

Eine gute Möglichkeit einer persönlichen Auseinandersetzung mit eigenen Fehlern bietet die Klassenarbeitsverbesserung, die ich nach folgendem Muster anfertigen lasse:

  • Jeder am Rand markierte Fehler muss vom Schüler selbst (mit Bleistift) kommentiert werden. Der Schüler schreibt also beispielsweise unter das Rf-Zeichen „Punkt-vor-Strich“ (würde ich diesen Kommentar schreiben, hätte der Schüler weit weniger davon).
  • Jeder Schüler sucht sich zusätzlich eine Teilaufgabe aus, in der er den aus seinerr Sicht ärgerlichsten, weitreichendsten oder vermeidbarsten Fehler gemacht hat und analysiert diesen schriftlich bis ins Detail nach folgendem Muster (die Reihenfolge ist dabei nicht unwichtig, weil zuerst Kontrollmechanismen verlangt werden, bevor die klassische Verbesserung erfolgt):
    • Warum habe ich diesen Fehler gemacht? Was habe ich mir dabei gedacht?
    • Wie kann ich mir klarmachen, dass mein Ergebnis falsch sein muss bzw. dass ein anderes richtig sein muss?
    • Was habe ich genau falsch gemacht? Wie hätte es richtig sein müssen?
    • Wie kann ich diesen Fehler in Zukunft vermeiden?

 

weiter mit Rückblickendes Strukturieren des Wissens