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Hintergrund

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Wer auf größere Nachhaltigkeit beim Lernen abzielt, sollte sich zum Vorgang des Lernens Gedanken machen. Historisch und vereinfacht gesehen folgten drei Lernmodelle aufeinander:

Lernen durch Einfüllen („Trichter“)

Man kann das Gehirn mit Wissen und Können auffüllen.
Misserfolg bedeutet dann, dass das Hirn (oder entsprechende Teile) schon „voll“ sind.
Dieses Modell wird heute abgelehnt.

Lernen durch Abbilden („Kamera“)

Das Hirn zeichnet sich mit Hilfe der Sinnesorgane ein möglichst getreues Abbild der Realität.
Misserfolg bedeutet dann, dass der Lernstoff entweder nicht genügend häufig und/oder nicht genügend klar dargeboten wurde.

Dieses Modell mag in manchen Mathematikstunden, in denen notwendige einschleifende algorithmische Übungen stattfinden, zielführend sein, greift aber viel zu kurz. Vor allem im erarbeitenden Unterricht kann es zu folgenden Fehlschlüssen führen:

  • Genügend gut und klar gezeichnetes Vorbild garantiert getreues Abbild („Erklärungsideologie“)
  • Genügend häufige Wiederholung des Vorbildes wird das getreue Abbild irgendwann erzwingen („Übungsideologie“)

    „Vielfach werden Misserfolge so umgedeutet, dass man noch zu wenig geübt hätte. Es werden weitere Übungsaufgaben gestellt - und damit wird die Sache oft noch schlimmer gemacht.“
    G.Malle
     
  • Fehler sollten vermieden werden, („Fehlervermeidungsideologie“)

Lernen durch Konstruieren („Knüpfen von Netzen“)

Im Hirn findet ein Selbstgestaltungsprozess statt: Es werden ständig Hypothesen gebildet und mit Hilfe der Sinnesorgane verifiziert oder verworfen. Dabei findet stets ein Abgleich und eine Vernetzung mit bereits vorhandenem Wissen statt, das dabei ebenfalls neu strukturiert wird. Dieser Prozess ist sehr individuell und stark gefühlsgesteuert. Die Verarbeitungstiefe hängt wesentlich von der individuell erfahrenen Bedeutsamkeit des Neuen und von sozialen Interaktionen ab.

Misserfolg bedeutet dann, dass das Neue mit dem vorhandenen Wissen nicht zu erschließen ist, die Neustrukturierung und Vernetzung schlägt fehl (dabei kann im Extremfall sogar bereits vorhandenes Wissen „gelöscht“ werden).

Die Lernpsychologie und die moderne Hirnforschung legen dieses Modell nahe. Hattie weist zurecht darauf hin, dass „es sich beim Konstruktivismus nicht um eine Theorie des Lehrens handelt, sondern um eine Theorie des Wissens und der Erkenntnis“. Es ist seines Erachtens falsch, aus dem konstruierenden Hirn auf bestimmte Lehrmethoden zu schließen:

  • „Konstruktivismus wird zu oft im Sinn eines schülerzentrierten, forschenden, problem- und aufgabenbasierten Lernens gesehen [...] Es wird gesagt, dass die Rolle der konstruktivistischen Lehrperson vor allem darin liege, Gelegenheiten für einzelne Lernende zu schaffen, dass diese durch eigene Aktivität und durch Reflexion und Austausch von Einfällen mit anderen Lernenden Wissen erwerben und Bedeutung konstruieren können, und all dies mit minimaler korrigierender Intervention verbunden ist. Solche Aussagen sind aber fast das genaue Gegenteil eines erfolgreichen Rezepts für Lehren und Lernen.“ (S. 32)

An anderer Stelle:

  • „Bei Bildung geht es um mehr, als nur den Menschen das Denken zu lehren. Es geht auch darum, den Menschen Dinge nahezubringen, die es wert sind, dass man sie lernt. Gutes Lehren beinhaltet auch das Konstruieren von Erklärungen, das Kritisieren, das Ziehen von Schlussfolgerungen, das Finden von Anwendungen.“ (S. 34)

Es wäre ein Missverständnis, würde man Hattie so verstehen, dass er vom schüleraktiven Unterricht abrücken wollte, vielmehr will er den inaktiven Lehrer abschaffen:

  • „Lehrpersonen müssen direktiv, einflussreich, fürsorglich und aktiv in der Leidenschaft des Lehrens und Lernens engagiert sein.“ (S. 280)

Hattie wünscht sich also die Lehrperson eher als „Regisseur“ (mit einer durchschnittlichen Effektstärke von d=0,59) und weniger als „Moderator“ (d=0,23). Und er wünscht sich, dass schüleraktive und lehreraktive Unterrichtsformen kombiniert werden.

 

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