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Didaktischer Kommentar

Einleitung

Nominiert für 8 Oscars und den Goldenen Löwen: Arrival von Denis Villeneuve gilt als Meilenstein des Science-Fiction-Films (Hilbert 2018: 55) – mit einer für das Genre ungewöhnlichen Hauptfigur. Dr. Louise Banks (Amy Adams) ist Linguistin. Als zwölf mysteriöse Raumschiffe auf der Erde landen, wird sie vom US-Militär beauftragt, mit den Aliens - sogenannte Heptapoden - zu kommunizieren. Die Entschlüsselung der kreisförmigen Logogramme der Heptapoden sowie ihrer zirkulären Sprache beeinflusst zunehmend auch das Denken der Hauptfigur. Sie nimmt die Zeit nicht mehr linear wahr, sondern erwirbt die Fähigkeit, sich „an die Zukunft zu erinnern“. Der Film bezieht sich dabei explizit auf die Sapir-Whorf-Hypothese: Mit der zirkulären Sprache der Heptapoden eignet sich die Hauptfigur auch ein nicht mehr lineares Denken an. Die Komposition des Films bildet diese durch Sprache veränderte Zeitwahrnehmung ab: vermeintliche Rückblenden (Flashbacks) erweisen sich am Filmende als Vorausblenden (Flashforwards) und verrätseln die Chronologie der Geschichte.

Für den Deutschunterricht ist die Beschäftigung mit Arrival äußerst lohnend, zum einen, weil Science-Fiction-Filme bei Schülern nach wie vor beliebt sind, zum anderen, weil sich der Film als Anknüpfungspunkt für verschiedene Themenbereiche des Deutschunterrichts anbietet:

  • Filmanalyse (Gestaltung der Erzählchronologie)
  • Sprachtheorie (sprachliche Relativität; Sapir-Whorf-Hypothese)
  • Materialgestütztes Schreiben (Texte zur Sapir-Whorf-Hypothese; Kontroversenreferat)

Filmanalyse

Aufgabe 1

Die ersten vier Aussagen formulieren eine naive, universalistische Sicht des Verhältnisses von Welt, Wahrnehmung, Sprache und Denken, die einem unreflektierten Alltagsverständnis entspricht (Werlen 2002: 3). Die letzten beiden Aussagen formulieren das sprachliche Relativitätsprinzip.

Nach der Hinführung, die auf die zentralen Fragestellungen vorbereitet, wird der Film gemeinsam angeschaut. Im anschließenden Filmgespräch tauschen sich die SuS über ihre ersten Eindrücke aus. Dabei wird erfahrungsgemäß auch die verwirrende Handlungsstruktur angesprochen. Diese sollte daher zunächst genauer analysiert werden; auch um sicherzustellen, dass alle SuS den Inhalt richtig verstanden haben.

Aufgabe 2

  1. Der Film beginnt scheinbar mit einer Rückblende (Flashback). Der dramaturgische Kniff besteht darin, dass diese und alle folgenden Rückblenden in Wirklichkeit Vorausblenden sind (Flashforward), die Ereignisse zeigen, welche erst nach dem Ende der Handlungsgegenwart stattfinden werden:
    3. Ankunft der Raumschiffe → 4. Kontaktaufnahme mit den Heptapoden (Weber, Louise, Ian) → 5. Analyse der Heptapoden-Schrift (Louise, Ian) → 7. Annäherung zwischen Louise und Ian → 8. Kommunikation mit den Heptapoden in deren Sprache (Louise, Ian) → 10. Entzifferung des Schriftzeichens „Waffe anbieten“ → 11. Kriegserklärung Chinas an die Heptapoden → 12. Louises letzter Kontakt mit den Heptapoden → 14. Evakuierung des Stützpunktes → 17. Louise gelingt die Übersetzung der Heptapoden-Botschaft (Sprache als Geschenk) → 19. Louise ruft General Shang an → 20. China beendet den Kriegszustand → 21. Die Raumschiffe verschwinden → 22. Beginn der Beziehung zwischen Ian und Louise → 18. Louise trifft beim Empfang des US-Präsidenten den chinesischen General Shang → 1. Hannahs Geburt → 6./9./13./23./ Hannah spielt in der Natur; Szenen aus Hannahs Leben; Hannah beim Spielen → 16. Louise publiziert Bücher und hält Vorlesungen über die Heptapoden-Sprache → 15. Gespräch Louises mit Hannah über Trennung vom Vater (Ian) → 2. Hannahs Tod
  2. Rückblenden dienen häufig als „Schlüssel“ zur Psyche von Figuren. Die Vorausblenden in Arrival zeigen die paradoxe Fähigkeit Louises, sich an die „Zukunft zu erinnern“. Wie sie diese Fähigkeit erwirbt, kann durch die folgende Sequenzanalyse erarbeitet werden.

Aufgabe 3

Es bietet sich an, die Darstellungsmittel des Films mit denjenigen der Erzählung zu vergleichen. In der Erzählung werden die Zeitverhältnisse hauptsächlich über die Tempusformen der Verben und über Temporaladverbien zum Ausdruck gebracht. Louise Banks verbindet als personale und auktoriale Ich-Erzählerin die Zeitebenen miteinander. Wie auch im Film ist sie als einzige Figur in der Lage, sich „an die Vergangenheit zu erinnern“. Dadurch besteht schon zu Beginn der Erzählung eine für den Leser verstörende Gleichzeitigkeit der verschiedenen Zeitebenen. Das zentrale Ereignis – die Frage Ians, ob Louise ein Kind wolle – wird aus Louises Perspektive so dargestellt, als finde es zugleich in der Zukunft („Gleich wird dein Vater mich fragen“, Z. 1), der Gegenwart („Und dann sagt dein Vater“, Z. 7) und der Vergangenheit („die Nacht, als du gezeugt wurdest“, Z. 12) statt.

Aufgabe 4

  • Zeitebenen: Handlungsgegenwart – Vorausblende I: Hannahs Kindheit – Vorausblende II: Hannahs Tod
  • Die Zeitsprünge werden durch Louises Beschäftigung mit der Heptapoden-Schrift ausgelöst. In den ersten Einstellungen der Sequenz sind die kreisförmigen Schriftzeichen immer neben Louise zu sehen. Die Vorausblenden sind im ganzen Film eng mit der Entzifferung der Heptapoden-Schrift verknüpft.
  • Markierung des Wechsels zwischen den Zeitebenen:
    • Asynchronität von Bild und Ton (Louise hört Hannah, obwohl sie nicht zu sehen ist.)
    • Farbkontraste (hell-dunkel; warm-kalt)
    • Achsensprung (Louise befindet sich in den Vorausblenden in der linken Bildhälfte und blickt nach rechts, auf der Ebene der Handlungsgegenwart befindet sie sich in der rechten Bildhälfte und blickt nach links)
    • Unschärfe
  • Verbindung der Zeitebenen:
    • Subjektive Einstellung: Gibt leicht versetzt die Perspektive Louises wieder.
    • Einstellungsgröße: Groß- und Nahaufnahmen von Louises Gesicht. Dadurch wird deutlich, dass nur Louise zwischen den Zeitebenen wechseln kann - nicht aber Ian.
    • Match Cut: Die Einstellung, in der sich Louise neben die junge und gesunde Hannah legt, wird verbunden mit der Einstellung, in der sich Louise neben die sterbende Hannah legt. Beide Einstellungen sind parallel aufgebaut. Dieser besondere Match Cut taucht mehrmals im Film auf.
    • In den Vorausblenden tauchen verschiedene Motive aus der Handlungsgegenwart auf: Auf dem Bild, das Hannah malt, ist der Vogel im Käfig zu sehen, den Louise und Ian mit ins Raumschiff nehmen. In einer späteren Sequenz formt Hannah die Heptapoden aus Knet und spielt mit Kieseln, die wie die Raumschiffe aussehen.

Ergänzend kann auch die subjektive Sicht im Film näher untersucht werden. Hierfür bietet sich die Sequenz an, in der Louise Banks zum ersten Mal den Heptapoden begegnet (00: 30:06 – 00:32:30). Die subjektive Sicht Louises zeigt sich in der Kameraeinstellung (Großaufnahmen von Louises Gesicht, Detailaufnahmen von ihrer Hand, point-of-view-shot) sowie im Ton (Louises Atemgeräusche). Die subjektive Sicht im Film lässt sich dann mit der personalen Erzählperspektive in der entsprechenden Passage der Erzählung vergleichen (vgl. Chiang, Ted (2017): Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes. Erzählungen, München: Golkonda Verlag, S. 51.).

Aufgabe 5

Die Filmhandlung verknüpft die Vorausblenden mit der Entschlüsselung der kreisförmigen Logogramme. Mit der Sprache der Heptapoden, die keine lineare Zeitabfolge kennt, übernimmt Louise auch deren nicht mehr chronologisches Denken. Der Name „Hannah“ entspricht als Palindrom der kreisförmigen Schrift der Heptapoden.

Aufgabe 6

Mit der Schema-Theorie lässt sich an das Modul 3b zur Metapher anknüpfen. Dort wird sprachliches Framing ausführlicher behandelt.

Texte zur Sapir-Whorf-Hypothese

Anhand der Materialien lässt sich die Kontroverse um die Sapir-Whorf-Hypothese in ihren Grundzügen nachvollziehen. Wie auch im Film stehen dabei die Zeit- und Raumwahrnehmung im Mittelpunkt. Die ersten drei Texte präsentieren die ursprüngliche Theorie, die Kritik an dieser Theorie sowie ihre Wiederaufnahme in aktuellen Forschungsansätzen. Der Text von Pinker formuliert dann die universalistische Gegenposition zu Whorfs Relativitätsprinzip. Da die Materialien aufeinander aufbauen, sollten sie in der vorgegebenen Reihenfolge bearbeitet werden.

Die Erarbeitung der Materialien bereitet eine materialgestützte Schreibaufgabe vor. Dabei steht zunächst das Erkennen von intertextuellen Bezügen im Mittelpunkt.

Aufgabe 8

Eine Umformulierung der Aussagen könnte in etwa lauten:

  • Es existiert eine wirkliche Welt außerhalb des wahrnehmenden Menschen. (Die erste Aussage wird vom Prinzip der sprachlichen Relativität nicht tangiert, weshalb sich im Text auch keine direkten Hinweise finden. Im Film allerdings verändert sich durch die Sprache auch die Wirklichkeit: Louise erwirbt die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen.)
  • Der Mensch nimmt die Welt so wahr, wie es die Strukturen seiner Sprache vorgeben.
  • Das durch die Wahrnehmung vermittelte Bild der Welt ist bei Menschen ähnlich, die dieselbe Sprache sprechen, unterscheidet sich jedoch von dem Weltbild der Sprecher anderer Sprachen.
  • Die Sprache prägt das Denken und formt die Art und Weise, wie der Mensch die Welt wahrnimmt.

Größtmögliche Objektivität bei der Betrachtung der Welt erlangt man demnach durch das Erlernen möglichst vieler Sprachen mit unterschiedlichen Strukturen. Nicht zufällig ist die Hauptfigur des Films als Übersetzerin tätig.

Aufgabe 9

Deutscher kritisiert zunächst, dass der Sapir-Whorf-Hypothese die empirische Basis fehle. Whorf bleibe den empirischen Beweis schuldig, dass sich die Unterschiede zwischen natürlichen Sprachen kognitiv auswirken. Außerdem interpretiert er Whorfs Relativitätsprinzip stark deterministisch und kritisiert die darin angeblich enthaltene Vorstellung von der „Sprache als Gefängnis“ des Denkens. Deutscher reformuliert das sprachliche Relativitätsprinzip mit dem Fazit, dass die besonderen Strukturen einer bestimmten Sprache nicht die Wahrnehmung der Wirklichkeit einschränken, sondern vielmehr die Sprecher dazu zwingen, auf einzelne Aspekte der Wirklichkeit besonders zu achten. Diese Annahme leitet über zu den Forschungsergebnissen, auf die Boroditsky näher eingeht.

Aufgabe 10

Boroditsky präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse zum Verhältnis von Sprache, Zeit- und Raumwahrnehmung, die das sprachliche Relativitätsprinzip empirisch zu belegen versuchen.

Aufgabe 11

In einem abschließenden Unterrichtsgespräch können die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Relativisten und Universalisten besprochen und in einem Tafelbild festgehalten werden.

A11

Materialgestützte Schreibaufgabe

Aufgabe 12

Die Schreibaufgabe verlangt von den SuS, die kontroversen Positionen zur Sapir-Whorf-Hypothese nachvollziehbar darzustellen und zu vergleichen, ohne dabei eine eigene Position zu beziehen. Diese Form materialgestützten Schreibens ist zwischen dem informierenden und dem argumentierenden Schreiben angesiedelt und wird in der Didaktik daher auch als informierend-argumentierendes Schreiben1 oder als Kontroversenreferat2 bezeichnet. Sie kann zur Vorbereitung auf das materialgestützte Verfassen argumentierender Texte eingesetzt werden.

Medienwelten

Informieren, Erklären und Argumentieren beim materialgestützten Schreiben (Feilke et al. 2016: 29)

1Feilke, Helmuth/Lehnen, Katrin/Rezat, Sara/Steinmetz, Michael (2016): Materialgestütztes Schreiben lernen. Grundlagen. Aufgaben. Materialien, Braunschweig: Schroedel, S. 29.

2Vgl. Schüler, Lisa (2017): Materialgestütztes Schreiben argumentierender Texte. Untersuchungen zu einem neuen wissenschaftspropädeutischen Aufgabentyp in der Oberstufe, Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 142f.

 

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