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M2a: Schwerpunkte des Aktionsprogramms vom 5. April 1968

Ausgehend von einer deutlichen Kritik des Stalinismus entwickelte die Führung der KSČ in ihrem „Aktionsprogramm“ einen umfassenden Reformansatz. Oft zitiert wird dabei die Losung vom "Sozialismus mit menschlichem Antlitz", die an eine Textstelle des Aktionsprogramms angelehnt ist. Das Aktionsprogramm sollte in zwei Jahren umgesetzt werden.

Den Autoren des Aktionsprogramms schwebte dabei ein System vor, das zugleich pluralistisch und sozialistisch sein sollte und in dem „die unterschiedlichen Interessen sozialer Gruppen und einzelner sowie ihre Vereinigung zur Geltung“ gebracht werden sollten. Einerseits müssten Menschen immer verschiedene Konzepte, Vorschläge und Alternativen zur Entscheidung vorgelegt werden. Der Widerstreit der Meinungen sei Ausdruck des Strebens nach der besten Lösung. "Die Partei jedoch kann nicht von dem Grundsatz abweichen, dass sie nach Annahme eines Beschlusses von jedem Kommunisten dessen Durchführung und Erfüllung verlangen wird." Andererseits gebe es auch keinen Zweifel daran, dass die zu gestaltende Gesellschaft weiterhin sozialistisch zu sein habe.
Zwar komme der kommunistischen Partei von Natur aus eine Vorreiterrolle im Kampf für den Sozialismus zu. Doch hänge ihre Macht von der Zustimmung des Volkes ab. Im Programm steht: "Die kommunistische Partei stützt sich auf die freiwillige Unterstützung durch die Menschen. Sie verwirklicht ihre führende Rolle nicht dadurch, dass sie die Gesellschaft beherrscht, sondern dadurch, dass sie der freien, fortschrittlichen und sozialistischen Entwicklung am treuesten dient." Oppositionsparteien will die KSČ jedoch nicht zulassen.
Eine der spektakulärsten Vorhaben der tschechoslowakischen Reformer war Verankerung einer weitgehenden Pressefreiheit. "In der Presse muss es möglich sein, andere Ansichten als die offiziellen des Staates, der Parteiorgane und der Publizistik zu vertreten", schrieben die Autoren des Aktionsprogramms. Die "unbegründete Geheimhaltung von Informationen" müsse beendet werden. Allerdings macht das Papier eine entscheidende Einschränkung bei Inhalten, die sich "gegen die Gesellschaft" richteten. Das Aktionsprogramm wollte zudem die Geltung gewisser Bürgerrechte garantieren, etwa Meinungsfreiheit, Minderheitenschutz und Rehabilitierung von Opfern politisch motivierter Justizurteile.
Viele Staaten der kommunistischen Welt erlaubten ihren Bürgerinnen und Bürgern nicht, frei zu reisen. Die Befürchtung dabei war, dass arbeitsfähige Menschen im Ausland bleiben und so die Wirtschaftskraft schwächen könnten. Solche Überlegungen waren beispielsweise wichtige Gründe für die Abriegelung der innerdeutschen Grenze im Jahr 1961 durch die DDR-Regierung. In der Tschechoslowakei sollte nach dem Aktionsprogramm der KSČ Reisefreiheit gelten. So ist im Programm zu lesen: "Die gesetzmäßige Freizügigkeit der Bürger muss garantiert werden, besonders Reisen ins Ausland, wobei vor allem gelten soll, dass der Bürger Rechtsanspruch aus langfristigen oder dauernden Aufenthalt im Ausland hat und dass niemand grundlos als Emigrant betrachtet wird."
In der Tschechoslowakei sollte eine Form von Gewaltenteilung zwischen Regierung und Parlament etabliert werden. Es dürfe zu "keiner allzu großen Konzentration der Macht innerhalb eines Gliedes, eines Apparates oder bei einer Einzelperson" kommen. Ferner müsse sichergestellt werden, dass sich die Regierung für ihre Politik vor der Nationalversammlung verantworten müsse.
Wichtig war den Reformern in der Tschechoslowakei die politische Gleichstellung beider Landesteile. Bis dato sei das Verhältnis zwischen Tschechen und Slowaken durch "Asymmetrie" und einer tschechischen Dominanz geprägt gewesen. Dem wollte die Partei eine "endgültige föderative Regelung" entgegensetzen.
Ein wichtiger Baustein des Aktionsprogramms sollten Reformen in der Wirtschaft sein, die den Unternehmen eine relative Unabhängigkeit von staatlicher Planung zusprach. Im Dokument steht: "Das Programm der Demokratisierung der Wirtschaft umfasst vor allem die Herstellung der Selbstständigkeit der Unternehmen und von Unternehmensgruppierungen sowie ihre relative Unabhängigkeit von den Staatsorganen, die völlige und reale Gültigkeit der Rechte des Verbrauchers, seinen Konsum und Lebensstil zu bestimmen, es umfasst das Recht auf freie Wahl der Arbeitstätigkeit (...)." Die staatliche Lenkungsfunktion bestünde diesen Ideen folgend lediglich in der Erstellung von Rahmenplänen und der Bereitstellung von Produktionsmitteln.


(Bundeszentrale für politische Aufklärung: Das Reformprogramm des "Prager Frühlings" - https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/267379/prager-fruehling, letzter Aufruf 12.10.2020 [CC BY-NC-ND 3.0)]

Arbeitsaufträge

  1. Erarbeiten Sie abschnittsweise die zentralen Forderungen des „Aktionsprogrammes“.20
  2. Überprüfen Sie, welche Forderungen für das kommunistische System besonders revolutionär waren.
  3. „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. Diskutieren Sie, ob und wie das möglich ist.

20 Lösungshinweis in der PPT „451_ unterrichtsbeispiel_aufbruchsversuche“.

 

 

Didaktische Analyse: Herunterladen [docx][63 KB]

Didaktische Analyse: Herunterladen [pdf][351 KB]

 

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