Arthur Schopenhauer (1788-1860): Glauben versus Wissen
Die Philosophie hat, als eine Wissenschaft, es durchaus nicht damit zu thun, was geglaubt werden soll, oder darf; sondern bloß damit, was man wissen kann. Sollte nun dieses auch etwas ganz Anderes sein, als was man zu glauben hat; so wäre selbst für den Glauben dies kein Nachtheil: denn dafür ist er Glaube, daß er lehrt was man nicht wissen kann. Könnte man es wissen; so würde der Glaube als unnütz und lächerlich dastehn; etwan wie wenn hinsichtlich der Mathematik eine Glaubenslehre aufgestellt würde.
Hiegegen ließe sich nun aber einwenden, daß zwar der Glaube immerhin mehr, und viel mehr, als die Philosophie lehren könne; jedoch nichts mit den Ergebnissen dieser Unvereinbares: weil nämlich das Wissen aus einem härteren Stoff ist, als der Glaube, so daß, wenn sie gegen einander stoßen, dieser bricht.
Jedenfalls sind Beide von Grund aus verschiedene Dinge, die, zu ihrem beiderseitigen Wohl, streng geschieden bleiben müssen, so daß jedes seinen Weg gehe, ohne vom andern auch nur Notiz zu nehmen. […] Glauben und Wissen vertragen sich nicht wohl im selben Kopfe: sie sind darin wie Wolf und Schaaf in Einem Käfig; und zwar ist das Wissen der Wolf, der den Nachbar aufzufressen droht.
Aufgaben
Markiere die richtige Antwort im Sinne des Textes 3.1.; es können jeweils mehrere Antworten richtig sein:
Schopenhauer fordert im Verhältnis zwischen Philosophie und Religion…
I …eine Vorrangstellung der Philosophie.
II …eine gegenseitige Befruchtung.
III …eine strikte Trennung.
IV …einen Schutz der Religion durch die Philosophie.
Glauben ist für Schopenhauer…
I ….etwas Überflüssiges, wenn alles gewusst wird.
II …etwas Angreifbares.
III …etwas, das viel mehr bietet als bloßes Wissen.
IV …etwas, das über das Wissen hinausgeht.
Als Bedingungen für den Glauben formuliert Schopenhauer…
I …Widerspruchsfreiheit zu sich selbst.
II …Widerspruchsfreiheit zum Wissen.
III …Erweiterung über das Wissbare hinaus.
IV …Erweiterung über das Sagbare hinaus.
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