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Beurteilung/Bewertung

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Analyse von Sach- und Werturteil: Ein Sachurteil fehlt nahezu völlig, da sowohl Alfred Rethel als auch Robert Reineck kaum Bezug auf die revolutionären Ereignisse oder die handelnden Personen nehmen; allenfalls der ikonographische Verweis auf Hecker und der Hinweis auf die Gleichheitsforderungen der Verfechter der „roten Republik“ können als vage Hinweise auf den historischen Kontext angesehen werden. Darüber hinaus kritisiert Rethel den verbreiteten Totenkult des Jahres 1848 (vgl. die Interpretation Hettlings).

Demgegenüber wird die Revolution von Anfang bewertet, und zwar eindeutig negativ. Sie ist das Ergebnis individueller Charakterfehler und menschlicher Schwächen, die schließlich auch für Mord und Totschlag verantwortlich sind. An die Stelle des Sachurteils ist das Werturteil getreten.

Deshalb können der Darstellung auch keine Informationen über den Verlauf der Revolution von 1848/49 entnommen und beurteilt werden, sondern beurteilt werden kann nur die Meinung von Künstler und Texter über die Revolution und deren Totenkult. Der Erfolg und die vergleichsweise weite Verbreitung der Bilderfolge verleihen ihrem Werturteil aber exemplarischen Charakter – für die Beurteilung der Revolution durch das deutsche Bürgertum.

Aus den bereits ausgeführten Gründen sind Rethel und Reineck entweder dem Lager der konservativen/reaktionären Revolutionsfeinde oder dem der gewaltlose Reformen bevorzugenden gemäßigten Liberalen zuzuordnen. (Dass Rethel selbst weniger konservativ oder reaktionär war, wie seine Darstellung vermuten lässt, geht aus seinen Briefen klar hervor.)

Gesamtaussage: Die Bilderfolge zeigt die Revolution von 1848/49 als Ergebnis menschlicher Schwächen und Charakterfehler. Individuelle Laster und Verfehlungen sowie die Verführbarkeit des Volkes bilden die Basis für den Erfolg demagogischer Verführer, die jedoch erst in ihrem Scheitern/Tod zu wahren Märtyrern der Freiheit werden und auf die Einlösung ihrer Forderungen in der Zukunft verweisen.

Intention: Der Künstler kritisiert an der Jahreswende von 1848/49 das zurückliegende „tolle Jahr“ und verurteilt dabei besonders die Gewalt der Revolutionäre (das Militär verbleibt immer im Hintergrund) und vor allem die Heroisierung der politischen Märtyrer. „Gegen diesen politisch gewendeten Heroismus des Sterbens wendet sich Rethel mit seinem nur politisch getönten, letztlich aber auf moralische Muster rekurrierenden Todtentanz “ (Hettling, S.169).

Quellenwert: Die Bilderfolge ist eine für Schüler ungewohnte, aber wegen ihrer zeitlichen Nähe zu den Ereignissen dennoch interessante Quellengattung. Ihr großer Erfolg und ihre weite Verbreitung unterstreichen, dass die in den Bildern/Texten zum Ausdruck kommende Bewertung der Revolution die Meinung eines großen Teils des deutschen Bürgertums widerspiegelt: Gerade dadurch erhalten der moralische Grundtenor – und das weitgehende Fehlen politischer Argumente – einen über die Quelle hinausweisenden allgemeinen Aussagewert. Eine „objektive Aussage“ über die Revolution ist der Bilderfolge nicht zu entnehmen, da sie – angefangen bei der Chronologie bis hin zur Analyse von Ursachen, Motiven oder Zielen der Revolution und ihres Scheiterns – keinerlei Sachinformationen enthält. Aber als Quelle  für die apolitische Haltung vieler, gerade bürgerlicher Zeitgenossen und ihre moralische Herabsetzung der Revolution von 1848/49 hat sie exemplarischen Charakter.