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M3 – Sagen und Meinen: Implikaturen und indirekte Sprachakte (Grice, Searle)

1. Intention und Bedeutung60

Erläutere, wie es in folgender Konversation zu einem Missverständnis gekommen ist!

Brigitte und Andreas sind erst seit kurzem zusammen in einer Klasse. Nach dem Unterricht kommen sie ins Gespräch und vereinbaren, die Mathematik-Hausaufgaben arbeitsteilig zu erledigen.

Brigitte: „Du bearbeitest die erste Aufgabe?“

Andreas: „Wir haben uns gerade erst kennengelernt und schon erteilst du mir Anweisungen!“

Brigitte: „Ich wollte dir keine Anweisung erteilen. Ich habe dich nur gefragt, ob du die erste Aufgabe bearbeiten möchtest.“

Das Ziel einer sprachlichen − und im weiteren Sinne auch kommunikativen − Handlung ist in der Regel Teil dessen, was der Sprecher mit ihr gemeint hat. Die Absicht des Sprechers bezeichnet man als Intention.

Intention

Zu wissen, was jemand mit einer Äußerung meint, heißt, die Intention zu erkennen, mit der er oder sie diese Äußerung vollzieht. In einem letzten Schritt kann man das, was jemand mit einer Äußerung meint, als die Bedeutung der Äußerung bezeichnen.61

→ unmittelbarer Zusammenhang zwischen Intendieren, Meinen und Bedeuten

Dementsprechend definiert Grice die kommunikative Bedeutung (Sprecher-Bedeutung):

kommunikative Bedeutung

„S (= Sprecher*in) meinte mit x etwas“ ist (in etwa) äquivalent mit „S beabsichtigte, dass die Äußerung von x bei einem Hörer eine Wirkung mittels der Erkenntnis dieser Absicht hervorruft“.

Danach fragen, was S meinte, heißt also, nach einer Bestimmung der intendierten Wirkung fragen.

→ Beachte: Es ist nicht immer möglich, direkt eine Antwort zu finden, die einen „dass“-Satz enthält (z. B. „eine Überzeugung, dass“)62

2. Kooperationsprinzip und Konversationsmaximen63

Ein Gespräch ist nach Grice eine Form kooperativen Handelns. Für dieses kooperative Handeln gilt das Prinzip: Verhalte dich so, dass es dem Erreichen des gemeinsamen Ziels dient!

Kooperationsprinzip

Gestalte deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es vom akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird!64

Grice unterschiedet vier Kategorien der Kooperativität: Qualität, Quantität, Relation und Modalität (Art und Weise). Nach diesen Kategorien gliedert er seine Konversationsmaximen.

Konversationsmaximen
  1. Maxime der Qualität: Versuche, einen wahren Gesprächsbeitrag zu machen!

    1. Sage nichts, was du für falsch hältst!

    2. Sage nichts, wofür dir angemessene Gründe fehlen!

  2. Maxime der Quantität:

    1. Mache deinen Beitrag so informativ wie (für die angegebenen Gesprächszwecke) nötig!

    2. Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig!

  3. 3. Maxime der Relation: Sei relevant!

  4. 4. Maxime der Modalität (Art und Weise): Drücke dich deutlich aus!

    1. Vermeide ungeläufige Ausdrücke!

    2. Vermeide Mehrdeutigkeit (Ambiguität)!

    3. Fasse dich kurz! (Vermeide unnötige Weitschweifigkeit!)

    4. Gehe geordnet vor!65

Wird eine Maxime verletzt, so hat dies unter der Grundannahme der Kooperativität eine besondere Interpretation der Äußerung zur Folge.

Übungsaufgabe

Erkläre, welche Maximen in folgenden Äußerungen verletzt werden und welche Interpretation der Äußerung dies im jeweils vorliegenden Kontext zur Folge hat!66

  1. Angenommen, innerhalb der großen Koalition herrscht Uneinigkeit bezüglich einer wichtigen außenpolitischen Frage. Nach dem Krisentreffen der zuständigen Politiker erklären diese auf der Pressekonferenz:

    „Wir haben ein offenes Gespräch geführt. Die Vertreter beider Parteien haben ihre Meinung dargelegt und den Standpunkt des Koalitionspartners zur Kenntnis genommen.“

  2. Nach einer mit Fachbegriffen und Fachvokabular vollkommen überfrachteten Vorlesung gehen zwei Studentinnen gemeinsam zum Essen in die Mensa und unterhalten sich, um den Kopf wieder freizubekommen. Die eine erzählt über einen Bekannten, der fast ohne Unterbrechung redet und sich über alle möglichen Themen stundenlang auslässt. Die andere sagt daraufhin:

    „Das heißt, er leidet unter chronischer Logorrhö.“

  3. In einem Literaturkreis tauscht man sich angeregt über Goethes Faust aus. Plötzlich ergreift ein Teilnehmer das Wort und redet minutenlang über Goethes Freundschaft mit Schiller. Mitten in der Schilderung unterbricht ihn eine andere Teilnehmerin und sagt:

    „Meiner Meinung nach ist Gretchens Frage nach Fausts Religiosität die wichtigste Textstelle des gesamten Werks.“

Weiteres Material im Download

Dies ist nur ein Teil von M3. Weitere Inhalte zum Thema: "Sagen und Meinen: Implikaturen und indirekte Sprechakte (Grice, Searle)" finden Sie im Download ab der Seite 39 [pdf][2 MB].

 


60 Vgl. Liedtke, Moderne Pragmatik, S. 34-38; Kober/Michel, John Searle, S. 119-124; Rolf, Inferentielle Pragmatik, S. 31-32.

61 Liedtke, Moderne Pragmatik, S. 35; siehe auch Rolf, Inferentielle Pragmatik, S. 31.

62 Vgl. Liedtke, Moderne Pragmatik, S. 38; Rolf, Inferentielle Pragmatik, S. 31.

63 Vgl. z. B. Liedtke, Moderne Pragmatik, S. 70-73; Meibauer, Einführung in die germanistische Linguistik, S. 218-220.

64 Vgl. Liedtke, Moderne Pragmatik, S. 70; Meibauer, Einführung in die germanistische Linguistik, S. 219.

65 Vgl. z. B. Liedtke, Moderne Pragmatik, S. 71-73; Meibauer, Einführung in die germanistische Linguistik, S. 218-220.

66 Für analoge Beispiele vgl. Liedtke, Moderne Pragmatik, S. 71-73.

 

Handreichung Pragmatik: Herunterladen [docx][2 MB]

Handreichung Pragmatik: Herunterladen [pdf][2 MB]

 

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