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Kommunikationssituation in der „Apologie“

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Sokrates führt gleich zu Beginn seiner "Apologie" aus, dass er es mit zwei Anklagen zu tun hat. Die eine ist die offizielle, die vor Gericht eingereicht wurde und die während seines Prozesses verhandelt wird. Die andere wird in der Öffentlichkeit von Leuten fortwährend gegen ihn erhoben, die ihn diffamieren und ein ungünstiges Bild von ihm zeichnen. Da dieses Bild eine große Wirkung entfaltet hat, müsse er sich zunächst gegen diese Verleumder zur Wehr setzen. Denn diese seien auch noch schlimmer als die offiziellen Ankläger.

Platon, Apologie 18b-d

 

ἀλλ᾽ ἐκεῖνοι δεινότεροι, ὦ ἄνδρες, οἳ ὑμῶν τοὺς πολλοὺς ἐκ παίδων παραλαμβάνοντες ἔπειθόν τε καὶ κατηγόρουν ἐμοῦ μᾶλλον οὐδὲν ἀληθές, ὡς ἔστιν τις Σωκράτης σοφὸς ἀνήρ, τά τε μετέωρα φροντιστὴς καὶ τὰ ὑπὸ γῆς πάντα ἀνεζητηκὼς καὶ τὸν ἥττω λόγον κρείττω ποιῶν. οὗτοι, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, <οἱ> ταύτην τὴν φήμην κατασκεδάσαντες, οἱ δεινοί εἰσίν μου κατήγοροι· οἱ γὰρ ἀκούοντες ἡγοῦνται τοὺς ταῦτα ζητοῦντας οὐδὲ θεοὺς νομίζειν. ἔπειτά εἰσιν οὗτοι οἱ κατήγοροι πολλοὶ καὶ πολὺν χρόνον ἤδη κατηγορηκότες, ἔτι δὲ καὶ ἐν ταύτῃ τῇ ἡλικίᾳ λέγοντες πρὸς ὑμᾶς ἐν ᾗ ἂν μάλιστα ἐπιστεύσατε, παῖδες ὄντες ἔνιοι ὑμῶν καὶ μειράκια, ἀτεχνῶς ἐρήμην κατηγοροῦντες ἀπολογουμένου οὐδενός. ὃ δὲ πάντων ἀλογώτατον, ὅτι οὐδὲ τὰ ὀνόματα οἷόν τε αὐτῶν εἰδέναι καὶ εἰπεῖν, πλὴν εἴ τις κωμῳδοποιὸς τυγχάνει ὤν. ὅσοι δὲ φθόνῳ καὶ διαβολῇ χρώμενοι ὑμᾶς ἀνέπειθον - οἱ δὲ καὶ αὐτοὶ πεπεισμένοι ἄλλους πείθοντες - οὗτοι πάντες ἀπορώτατοί εἰσιν· οὐδὲ γὰρ ἀναβιβάσασθαι οἷόν τ᾽ ἐστὶν αὐτῶν ἐνταυθοῖ οὐδ᾽ ἐλέγξαι οὐδένα, ἀλλ᾽ ἀνάγκη ἀτεχνῶς ὥσπερ σκιαμαχεῖν ἀπολογούμενόν τε καὶ ἐλέγχειν μηδενὸς ἀποκρινομένου.

Allein jene sind furchtbarer, ihr Männer, welche viele von euch schon als Kinder an sich gelockt und überredet, mich aber ohne Grund beschuldigt haben, als gäbe es einen Sokrates, einen weisen Mann, der den Dingen am Himmel nachgrüble und auch das Unterirdische alles erforscht habe und Unrecht zu Recht mache. Diese, ihr Athener, welche solche Gerüchte verbreitet haben, sind meine furchtbaren Ankläger. Denn die Hörer meinen gar leicht, wer solche Dinge untersuche, glaube auch nicht einmal Götter. Ferner sind auch dieser Ankläger viele und viele Zeit hindurch haben sie mich verklagt und in dem Alter zu euch geredet, wo ihr wohl sehr leicht glauben musstet, weil ihr Kinder wart, einige von euch wohl auch Knaben und offenbar an leerer Stätte klagten sie, wo sich keiner verteidigte. Das Übelste aber ist, dass man nicht einmal ihre Namen wissen und angeben kann, außer etwa, wenn ein Komödienschreiber darunter ist. Die übrigen aber, welche euch gehässig und verleumderisch aufgeredet und auch die selbst nur überredet, andre Überredenden, - diesen allen stehe ich ganz ratlos gegenüber: Denn weder hierher zur Stelle bringen noch ausfragen kann ich irgendeinen von ihnen: sondern muss ordentlich wie mit Schatten kämpfen in meiner Verteidigung und ausfragen, ohne dass einer antwortet.
(Übersetzung: Friedrich Schleiermacher)

 

Aufgaben:

  1. Der Text begründet, weshalb die Verleumder gefährlicher und schlimmer als die normalen Ankläger sind. Nennen Sie aus dem griechischen Text diese Argumente!
  2. Machen Sie den Unterschied zwischen den regulären Anklägern vor Gericht und den Verleumdern in der Öffentlichkeit möglichst klar.
  3. Im Grunde führt Sokrates hier eine Kommunikationssituation vor, die auch heute – auch gerade im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren - besteht.
    1. Wählen Sie einen Prozess aus, der in den Medien große Resonanz gefunden hat (z.B. den Kachelmann-Prozess) und prüfen Sie, inwiefern auch hier von zwei Prozessen (vor Gericht und in der Öffentlichkeit) gesprochen werden kann!
    2. Das Internet verstärkt noch einmal die Macht der Medien und schafft eine neue Form von Öffentlichkeit. Inwiefern lässt sich die Öffentlichkeit des Sokrates-Prozess mit dem Internet vergleichen?
    3. Was könnte man aus dem Sokrates-Prozess lernen, wenn man an dieses Phänomen der "doppelten  Anklage" denkt?

 


Aktualisierungen im Griechisch-Unterricht: Herunterladen [doc][403 KB]

 

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