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Alternative Formen der Überprüfung des Textverstehens

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Deshalb haben sich in den vergangenen zehn Jahren Aufgabenformate etabliert, die Textverstehen überprüfen sollen, ohne umfangreiche Produktionsleistungen zu verlangen. Spätestens seit dem Bericht über PISA 2000 ist die prinzipielle Unterscheidung von geschlossenen, halboffenen und offenen Aufgaben auch in der deutschdidaktischen Diskussion präsent. Zu den geschlossen Aufgabenformaten zählen: Richtig- /Falsch-Items, Multiple-Choice-Items, Zuordnungs- Items, Umordnungs-Items (vgl. auch Bremerich-Vos 2003).

Als halboffen gelten Kurzantwort-Items und Lückentexte. Z. B.

  • 1b. Skizzieren Sie (möglichst in einem Satz), worin der Streitpunkt der theologischen Auseinandersetzung zwischen Walter Simonis und Hubertus Halbfas besteht. (6 VP)
  • 1a. Vervollständigen Sie in eigenen Worten die folgende Sätze A./B./C./D. auf der Grundlage der vorliegenden Textausschnitte.
    1. Wenn das Reden und Handeln des historischen Jesus außer Acht gelassen wird, ...
    2. Das A und O des christlichen Glaubens ...
    3. Das Christentum möchte in die Welt von heute hineinwirken, deshalb ...
    4. Beim Glauben an die Auferstehung geht es nicht nur ...
  • Ordnen Sie dabei die Sätze in Bezug auf eine sinnvolle Vervollständigung entweder dem Autor Walter Simonis oder dem Autor Hubertus Halbfas zu. Nennen Sie Ihre Zuordnung jeweils hinter dem vervollständigten Satz und fügen Sie als Textbeleg jeweils eine Zeilenangabe aus Text 1 bzw. 2 hinzu. (12 VP)

Überall da, wo die Lerner kleinere oder größere Texte mündlich oder schriftlich produzieren, handelt es sich um offene Formate. Z. B.

  • 2. Erläutern Sie an zwei biblischen Beispielen Ihrer Wahl wesentliche Aspekte des „Lebensprogramms des historischen Jesus“ (vgl. Text 2, Zeile 1-2). (12 VP)

Folgt man den am IQB erzielten Testergebnissen, so wird die Fähigkeit, Informationen selbst zu erzeugen , z. B. als Zusammenfassung eines Textes oder als Formulierung des Textthemas, auf einen hohen Ausprägungsgrad der (Teil-)Kompetenz zurückgeführt. Entsprechend wurde dort für Schülerinnen und Schüler des 9. und 10. Jahrgangs festgestellt, dass zahlreiche Aufgaben auf Anforderungsniveau 5 verlangen, „selbstständig einen mehr oder weniger umfangreichen Text zu produzieren“.

Wovon hängt die Option für ein bestimmtes Format ab? Geschlossene und halboffene Formate haben den Vorteil hoher Auswertungsobjektivität. Das heißt, dass die Übereinstimmung der Kodierer bzw. Korrektoren sehr hoch ist und der zeitliche Aufwand gering. Bei geschlossenen Items kann die Korrektur auch maschinell bzw. rechnergestützt erfolgen.

Richtig/falsch-Aufgaben

Ein beliebtes Format sind Richtig-/Falsch – Aufgaben. Sie eignen sich vor allem für die Überprüfung von Verstehen auf Wort- und Satzebene und im Bereich der Etablierung lokaler Kohärenz.

Als Beispiel gebe ich eine Teilaufgabe aus einer Prüfung für den MSA im Fach Deutsch in SH.

Die verschiedenen Ebenen des Lesens

Folie 11
Grafik: Die verschiedenen Ebenen des Lesens (In: Rosebrock/Nix 2008, S. 16)


Schleswig-Holstein MSA (10. Jg.)

A2 Lies den folgenden Textausschnitt:
Der Placeboeffekt beschreibt die Tatsache, dass sich bei Menschen, die lediglich glauben, sie hätten ein Medikament bekommen, mitunter die Symptome verbessern. Er ist allgemein anerkannt. Neue Medikamente etwa müssen beweisen, dass sie einem äußerlich gleichen, aber wirkstofffreien Placebo überlegen sind. Nur dann haben sie die Chance auf eine Zulassung. Bekannt ist auch, dass die Wirksamkeit von Wirkstoffen von ihrer Darreichungsform abhängt, dass Spritzen besser wirken als Tabletten und große bunte Tabletten besser als kleine, blasse. Placebo ist überall.

Kreuze in jeder Zeile das Zutreffende an. /3 P.

Aussagen richtig falsch
Medikamente werden erst nach einem Placebo-Vergleichstest zugelassen.    
Farbige Tabletten sind Placebos.
   
Farbige Tabletten wirken besser als Spritzen.    
Auch Placebos können die Symptome verbessern.    
Placebos beinhalten nur halb so viele Wirkstoffe wie Tabletten.    
Menschen lassen sich von Erwartungen beeinflussen.    


Auch das folgende Beispiel aus Ihrem Reader zeigt, dass dieses Format v. a. die Lokalisierung von Informationen prüft, also Verstehen auf lokaler und auf Abschnittsebene .
Ob der gesamte inhaltliche Zusammenhang verstanden wurde, ob globale Kohärenz gebildet wurde, wird nicht überprüft. Entsprechendes gilt für den Einbezug von Superstrukturen und Darstellungsstrategien.

Aufgabe 1
Geben Sie wieder, was Text 1 aussagt, indem Sie bei den folgenden 8 Aussagen zu Text 1 das jeweilig zutreffende Kästchen markieren. (8 P)

  Trifft zu Trifft nicht zu
1. Ob Jesus als Mensch existiert hat, muss offen bleiben.    
2. Die Evangelien wollen zum Glauben an Jesus einladen.    
3. Die Evangelien sind sich nicht einig, ob Jesus schon vor seiner Geburt Gottes Sohn / bei Gott war.    
4. Es gibt in der Bibel keine völlige Einigkeit darüber, wie der Kreuzestod Jesu zu verstehen ist.    
5. Es lässt sich mit letzter Gewissheit sagen, dass Jesus leiblich auferstanden ist.    
6. Auf der Synode von Ephesus haben sich die Befürworter der Gottähnlichkeit Jesu durchgesetzt.    
7. Jesus ist für manche sowohl der politische Befreier als auch der Seelentröster.    
8. Jesus hat sich aus dem Streit um ihn herausgehalten, indem er sich Menschensohn nannte.    


Zunächst muss daran erinnert werden, dass die geschlossenen Formate für Testsituationen entwickelt wurden.
Um die Ratewahrscheinlichkeit von 50% pro Item zu reduzieren, sollten die Punkte nicht pro Einzelitem vergeben werden, sondern für Itemblöcke: etwa bei 5 richtigen von 6, hier ggf. ab 6 richtigen Ankreuzungen (vgl. Jens Knigge).
Item 6 erscheint im Rahmen unserer Fragestellung besonders interessant, weil unklar ist, ob Lesegenauigkeit getestet wird oder die Inferenz kirchenhistorischen Wissens.

Es stellt sich also die Frage nach der Leistung geschlossener Aufgaben vor dem Hintergrund der Lesekompetenz, die in Bezug auf die Allgemeine Hochschulreife (AHR) erwartet wird.

Lesekompetenz und Allgemeine Hochschulreife (AHR)

Die in den BS für alle Abschlüsse intendierten Leseziele beziehen sich

  1. auf die die Ebene eines umfassenden Textverständnisses , das Global- und Detailverstehen einschließt,
  2. auf die Ebene der Deutung von Texten und
  3. auf die Beurteilung und Bewertung von Texten.

Nicht alle Verstehensebenen lassen sich gleich gut über geschlossene Formate überprüfen. Lesetests mit wenig oder gar keinen offenen Items bieten kaum Gelegenheit, die Etablierung globaler Kohärenz oder Deutungsleistungen zu überprüfen. Warum ist das so?

Es ist überaus schwierig, MC-Items zu generieren, die auf die Etablierung globaler Kohärenz und auf Deutungsleistungen zielen. Denn die unzutreffenden Angebote müssen einerseits plausibel, andererseits aber falsch sein. Da Deutungsleistungen aber zu großen Teilen Sache der Plausibilität sind, hat man ein Problem, falsche Angebote zu hervorzubringen, die zugleich plausibel sind.

Auf der Ebene eines umfassenden Textverständnisses , das Global- und Detailverstehen einschließt, geht es also darum,

  • den „komplexen Zusammenhang zwischen Teilaspekten und dem Textganzen“ zu erschließen (so der erste Lesestandard in den BS AHR).

Dafür eignen sich vor allem Texte, deren Problemgehalt so entfaltet wird, dass das Verstehen dieser Texte Inferenzleistungen erfordert.

Lesekompetenz und Fachkompetenz

Folglich setzt die Erschließung anspruchsvoller fachspezifischer Texte einen hohen Ausprägungsgrad von Textverstehenskompetenz voraus. Am Erwerb dieser Kompetenz ist der Fachunterricht beteiligt.

In fachspezifischen Prüfungsaufgaben wird aber nicht Textverstehenskompetenz (wie z. B. in den PISA-Studien) geprüft. Es geht vielmehr darum, einen ganz bestimmten fachlichen Text zu verstehen und sich dazu zu verhalten. Das bedeutet zugleich, dass die Texterschließung fachliches Wissen voraussetzt.

Orientierung an Operatoren


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