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Weitere fachdidaktische Aspekte

Sprache im naturwissenschaftlichen Unterricht

Empirische Untersuchungen zeigen, dass im traditionellen naturwissenschaftlichen Unterricht etwa mit gleicher Häufigkeit neue Fachbegriffe eingeführt werden wie neue Vokabeln im Fremdsprachenunterricht. Viele Fachbegriffe werden dabei selten oder gar nicht nochmal verwendet. Fachbegriffe „funktionieren“ zudem erst richtig in einem fachlichen Begriffsnetz: Fachleuten erlaubt dieses Begriffsnetz eine fachlich präzise, effiziente Kommunikation. Lernende verfügen hingegen auch über andere, u.U. fachlich unpassende Verknüpfungen, auf die sie immer wieder zurückgreifen. Aus dem allgemeinbildenden Anspruch der Schule ergibt sich darüber hinaus als Ziel, dass die Schülerinnen und Schüler die Fachsprache nicht nur erwerben, sondern sie auch in Bezug zum Alltag setzen.
Daher sollte man Fachbegriffe sparsam und bewusst verwenden. Darüber hinaus muss der Einsatz von Fachbegriffen für die Schülerinnen und Schüler motiviert sein, d. h. sie müssen nachvollziehen können, welcher Mehrwert sich für sie gegenüber einer Beschreibung mit Alltagsbegriffen ergibt.
Für den Unterricht gibt es folgende mögliche Anknüpfungspunkte, um den Fachspracherwerb der Schülerinnen und Schüler zu unterstützen:

  • Möglichst wenige Fachbegriffe konsequent und reflektiert verwenden
    Wenn man möglichst wenige Fachbegriffe verwendet, hat das mehrere Konsequenzen:
    Die einzelnen Fachbegriffe werden dann häufiger verwendet. Jede damit verbundene Wiederholung ist eine Lerngelegenheit für die Schülerinnen und Schülern und festigt diesen Knotenpunkt im Begriffsnetz.
    Man ist dazu gezwungen Sachverhalte klar zu durchdenken. Z. B. liefern komplexere Fachbegriffe in manchen Erklärungen Zusatzinformationen für Experten, die für das Verständnis der grundlegenden Sachstruktur nebensächlich sind und das Lernen dadurch eher erschweren.
  • Weniger Substantivierungen und zusammengesetzte Nomen einsetzen
    Die Einführung eines Fachbegriffs geht immer mit einer Substantivierung einher. Um die Anzahl der Fachbegriffe reduzieren, die man selbst unwillkürlich verwendet, ist es daher sinnvoll den Sachverhalt mit Verben zu beschreiben. Zudem sinkt dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Substantivierung und bei zusammengesetzten Nomen fachlich oder fachdidaktisch umstrittenen oder gar falschen Begriffe entstehen.
  • Den Fachspracherwerb als Prozess begreifen
    Es geht nie darum, den Schülerinnen und Schülern den Mund zu verbieten. Vielmehr begleitet man sie auf dem Weg zur Fachsprache, z. B. als Sprachvorbild oder im der behutsamen gemeinsamen Gespräch über Fach- und Alltagsbegriffe anhand konkreter Anlässe.

Energie in Alltags- und Fachsprache

Grundsätzlich ist Energie ein sprachlich „gutmütiger“ Fachbegriff: Man kann ihn mit verschiedenen Verben fachsprachlich korrekt verwenden; beim Speichern von Energie z. B. mit speichern, enthalten, haben, besitzen, drinstecken, beim Übertragen von Energie z. B. mit übertragen, transportieren, fließen, gehen, abgeben, verlassen, aufnehmen, ankommen.

Einige Formulierungen müssen diskutiert werden:

  • „Energieverluste“
    Im Alltag spricht man von „Energieverlusten“ in dem Sinne, dass ein System Energie an die Umgebung abgibt, ohne dass sie im intendierten Sinne genutzt wird. Es ist hier durchaus korrekt zu sagen, das System verliere Energie. Offen bleibt beim „Verlieren“ aber, was mit der Energie nach dem Verlassen des Systems passiert. Sie ist aber nicht „weg“, sondern als thermische Energie in der Umgebung verteilt und damit nicht mehr ohne weiteres nutzbar.
  • „Energiesparen“
    Das „Energiesparen“ kann vor dem Hintergrund der Energieerhaltung zur Lernschwierigkeit werden: Warum soll man an etwas sparen, das ohnehin nicht weniger wird? Der Bildungsplan spricht hier sinnvollerweise vom „sorgsamen Umgang mit Energie“: Man soll Energie nur einsetzen, wenn es wirklich nötig ist und dann auch darauf achten, dass sie an der intendierten Stelle effizient genutzt wird.
  • „Energieverbrauch“
    Der „Energieverbrauch“ ist fachlich falsch, kann aber zu einer konsistenten Vorstellung entwickelt werden. In der Energiequadriga wird hier der Aspekt „Energie wird entwertet“ angesprochen: Energie wird an die Umgebung abgegeben und liegt dort anschließend als thermische Energie vor. Sprachlich kann man „verbrauchen“ meist durch brauchen, nutzen oder benötigen ersetzen. Hilfreich ist die Analogie zum Wasserverbrauch im Haushalt: Das Wasser im Abfluss ist kein Trinkwasser mehr, aber es ist immer noch genau so viel Wasser wie zuvor.

Nur wenige Formulierungen sind zwangsläufig fachlich falsch. Dazu zählen die „Energieerzeugung“ und das „Vernichten von Energie“. Beides widerspricht dem Energieerhaltungssatz. Gemeint ist hier das Aufnehmen bzw. Abgeben von Energie, bei der eine „Seite“ der Übertragung weniger präsent ist.

Zusammengesetzte Nomen der Form „xy-energie“ sind im Alltag häufig (Sonnenenergie, Windenergie,…). In der Fachsprache werden Nomen dieser Form meist benutzt, um eine Speicherungsform zu benennen (Bewegungsenergie, Lageenergie,…). Das Erlernen dieser Kategorisierung der Fachsprache wird erschwert, wenn situativ immer neue Begriffe eingeführt werden. Z. B. ist „Lichtenergie“ kein fachlich präziser Begriff, was schon daran deutlich wird, dass nicht klar ist, ob die Energie hier gespeichert oder übertragen wird. „Die Energie wird durch das Licht übertragen.“ ist klarer und fachlich korrekt. In BNT wäre es noch einfacher denkbar, indem man nur die Systeme benennt, zwischen denen die Energie übertragen wird: „Die Energie wird von der Sonne auf die Pflanze übertragen.“

Schülervorstellungen zur Energie

Jede Schülerin und jeder Schüler kommt mit Vorstellungen über den Begriff Energie in den Unterricht. Aus der empirischen Forschung sind typische Vorstellungen bekannt.

Es gibt eher förderliche Schülervorstellungen, an die man anknüpfen kann, um einen fachlich konsistenten Energiebegriff zu entwickeln:

  • Energie als „universeller Treibstoff“
    „Energie ist [im Alltagsgebrauch] ein „universeller Treibstoff", der benötigt wird, um Maschinen laufen zu lassen. Auch der elektrische Strom zählt neben Stoffen wie Benzin und Phänomenen wie Wärme und Licht zu diesen Treibstoffen.“
    Die Vorstellung wird dann problematisch, wenn die Schülerinnen und Schüler auf der Stufe bleiben, Energie als „Stoff“ im Sinne von Materie zu begreifen. Daher sollte man zwar die Vorstellung, nicht aber den Begriff „Treibstoff“ aufgreifen.
    „Strom“ und „Wärme“ sind fachlich gesehen unscharfe Begriffe, die nicht eins zu eins aus dem Alltag in die Fachsprache übertragen werden können. Das ist für den Anfangsunterricht zur Energie aber nicht relevant. Fachlich werden die Begriffe im Physikunterricht präzisiert.
    Mechanisch gespeicherte Energie (vor allem Lageenergie) ist für Schülerinnen und Schüler nicht bedeutsam, da dies gar nicht zur „Treibstoff“-Vorstellung passt.
  • Nahrungsmittel enthalten Energie
    Die Angaben zum Energiegehalt bei Nahrungsmitteln sind einen guten Anknüpfungspunkt, den jeder kennt. Allerdings fällt es den Schülerinnen und Schülern schwer, dies mit der eher technisch geprägten „Treibstoff“-Vorstellung in Verbindung zu bringen. Dass z. B. die Fettreserven Energiespeicher sind, ist für sie daher nicht selbstverständlich.
  • Die Sonne liefert Energie
    Hier kann man im biologischen Bereich und bei den regenerativen Energieträgern gut anknüpfen. Über die Größenordnung und die Wege der Verarbeitung haben die Schülerinnen und Schüler allerdings keine Vorstellung: Dass man im Sommer die Aufnahme von Energie durch Nahrung teilweise durch ein Sonnenbad ersetzen könnte, scheint ihnen durchaus plausibel. Keine Vorstellung haben sie von der Endlichkeit der Energievorräte der Sonne und von der Notwendigkeit, dass die Erde die Energie von der Sonne auch wieder abgeben muss.


Natürlich gibt es auch Vorstellungen, die den Weg zum Fachbegriff eher erschweren:

  • „Energie wird bei der Verwendung verbraucht und bleibt nicht erhalten.“
    „Der Aspekt der Erhaltung aber ist [dem Energiebegriff des Alltags] fremd, während der Aspekt Entwertung ihm recht nahe liegt.“ (vgl. 3.2 „Energieverbrauch“)
  • „Energie steht nur begrenzt zur Verfügung.“
    „Weiterhin ist so verstandene Energie eine Art Luxusartikel: Für ein Leben wie in der Steinzeit benötigt man keine „Energie".“ Positiv umdeuten lässt sich dies ansatzweise bei den fossilen Energieträgern, die tatsächlich begrenzt zur Verfügung stehen.
  • „Wenn viel Energie übertragen wird, dann ist auch viel Energie gespeichert.“
    Fachlich gesehen wird nicht hinreichend zwischen Leistung und Energie unterschieden: Z. B. ist eine Kerzenflamme heiß, weil die Energie aus dem Wachs durch die Verbrennung schnell an die Umgebung (oder den Finger…) übertragen wird. In der Kerzenflamme selbst ist relativ wenig Energie „gespeichert“ – wenn man bei einem offenen System wie der Flamme überhaupt von Speicherung sprechen kann.
    Neben den Vorstellungen, die die Schülerinnen und Schüler mit in den Unterricht bringen, sollten sie dort neue Vorstellungen entwickeln, die einerseits an ihrem bisherigen Begriffsnetz anknüpfen und andererseits eine fachlich konsistente Weiterentwicklung im anschließenden Unterricht erlauben:
  • Vorstellung „Energiefluss“
    „Das Denken im Rahmen eines abstrakten Energiebegriffs fällt vielen Schülerinnen und Schüler sehr schwer. Man verwendet deshalb gerne Energieflussdiagramme, in denen man sich Energie als etwas Fließendes vorstellen kann. Die abstrakte Energiebilanz wird als Fluss interpretiert, Energie fließt von einem System zum anderen.
    Diese Veranschaulichung legt die Vorstellung nahe, sich Energie ganz konkret als einen Stoff zu denken, als etwas also, das wie eine reale Flüssigkeit strömt. Dabei gerät aus dem Blick, dass Energie „real“ in unserer Welt (wie z. B. ein Tisch) nicht vorkommt, sondern zu den „Bildern“ zählt, die wir uns von der realen Welt machen. Allerdings erlaubt die Vorstellung des Energieflusses, sich die Idee der Energieerhaltung, die Schülerinnen und Schülern nur schwer zugänglich ist zu veranschaulichen: Wer sich Energie als einen unzerstörbaren Stoff denkt, hat eine tragfähige Basis zum Verständnis der Idee der Energieerhaltung gewonnen.“

    Schwierig ist es für die Schülerinnen und Schüler, zwischen den Stoff- und Energiefluss zu unterscheiden. Z. B. nimmt man zwar Energie mit der Nahrung auf, gibt sie aber ganz anders ab als die entsprechenden Stoffe.
  • Auf dem Weg von der „Treibstoff“-Vorstellung zum abstrakten Energiebegriff
    Die Vorstellungen, mit denen die Schülerinnen und Schüler in den Unterricht kommen, können nur genutzt werden, wenn man diese zur Entwicklung nutzt: Wenn ungeeignete Vorstellungen geäußert werden, sollte man sie im Gespräch angemessen korrigieren. Wenn förderliche Ansätze vorhanden sind, sollte man nicht dabei stehen bleiben, sondern sie weiterentwickeln. Es ist daher nicht sinnvoll im Sinne eines Sprachvorbildes, als Lehrkraft von „Energie als Treibstoff“ zu sprechen. Es genügt z. B. auch nicht, bei den Alltagsbegriffen „Strom“ oder „Wärme“ stehen zu bleiben. Die Vorstellung des Energieflusses ist altersgemäß, muss aber in den folgenden Jahren weiterentwickelt werden.

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