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Sarenien

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.

Foto: Siebel II. 1955, dem Jahr seiner Krönung Foto: Siebel II. 1955, dem Jahr seiner Krönung

Sarenien hält den Atem an. König Siebel II., einer der letzten absolutistischen Herrscher dieser Erde, hat abgedankt. Mehr als fünf Jahrzehnte herrschte Siebel II. in dem kleinen, kaum bekannten Land am Rande Europas mit absoluter Macht, führte die Regierungsgeschäfte, erließ die Gesetze und war zugleich oberster Richter.

Vor siebenundfünfzig Jahren, als der damals junge Regent sich im Dom zu Sarenienburg mit den Worten „Sarenien bin ich“ die Herrscherkrone aufsetzte, jubelten die Menschen auf den Straßen ihrem neuen König hoffnungsvoll zu, man glaubte sich auf dem Weg in eine verheißungsvolle Zukunft. Nun, am Tage seiner Abdankung, richten sich die Hoffnungen wieder auf einen jungen Mann, auf Siebels Sohn Albert. Dieser hat vor wenigen Momenten einen ungeheuerlichen, die Monarchie in Frage stellenden Satz ausgesprochen: „Sarenien sind wir!“

Sarenien wird, wenn denn seine Existenz in Europa überhaupt wahrgenommen wird, allgemeinhin als Zwergstaat bezeichnet. Auf einer Fläche von 683 km² leben knapp 1.000.000 Einwohner, mehr als 20 Prozent davon in der Hauptstadt des Landes, Sarenienburg. Das am äußeren Rande Europas gelegene Land wird im Süden durch die sarische See und im Norden durch das mächtige Kuppa-Gebirge begrenzt. Wenn Einheimische sagen, Sarenien liege zwar in Europa, gleichzeitig aber „am Rande der Welt“, dann spielen sie auf die jahrzehntelange Abschottung des Landes unter der Herrschaft Königs Siebels II. an. Spötter meinen, nicht wenige Sarenier glaubten wirklich, am Rande der Welt zu leben, und würden nicht reisen, weil sie Angst hätten, vom Rande der Weltscheibe ins Nichts zu stürzen ...

Landschaft Sareniens Foto: Landschaft Sareniens

Die Bevölkerung gliedert sich in verschiedene Stämme, 60% der Gesamtbevölkerung sind Aylaner, ca. 15 % sind Biebilier, ca. 15% sind Wawerner, der Rest Kanzenen und Niederleuen. Während in der Hauptstadt vorwiegend Aylaner leben, wohnen in der Meeresregion fast ausschließlich Biebilier. Die Autonomiebestrebungen der Biebilier wusste Siebel II., selbst aylanischer Herkunft, mit Verweis auf den für Sarenien wichtigen Meereszugang und die Bedeutung der in der Region ansässigen Fischindustrie und manchmal auch mit Verweis auf die Möglichkeiten seiner gefürchteten Geheimpolizei, erfolgreich zu bekämpfen. Der Schwerpunkt der industriellen Produktion liegt in Hauptstadtnähe im Nordwesten des Landes, der vor allem von Wawernern und Aylanern bewohnt wird. In dieser Region befinden sich auch die wichtigen Rohstoffvorkommen des Landes.

Lange Zeit war in Sarenien unter der Herrschaft Siebels II. eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu erkennen, die ursprüngliche sarenische Agrargesellschaft entwickelte sich zu einer Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Das bemerkten die einzelnen Sarenier auch, aber nicht nur im Portemonnaie: Das Bruttoinlandsprodukt/pro Kopf stieg zwischen1955 und 2005 durchschnittlich um 5 %, die Analphabetenquote sank in bemerkenswerter Weise von 57% auf 6,2%.

Die Anhänger des Königs wurden lange Zeit nicht müde, laut die Verdienste Siebels II. in den Straßen der Dörfer und Städte zu preisen.

Einige Probleme Sareniens aber wirkten sich zunehmend so aus, dass auch die Monarchisten nicht umhin konnten, diese wahrzunehmen. Nicht nur, dass der Anteil der Land- und Forstwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt bis in diese Tage noch vergleichsweise groß ist (18,6%).

Eine Fülle wirtschaftlicher Schwierigkeiten verdichtete sich in einer seit 2006 jährlich ansteigenden Arbeitslosenquote, einem negativem Wirtschaftswachstum und einer rasant zunehmenden Staatsverschuldung. „Hilft jeder dem Nachbarn, so ist geholfen jedem Haus“ lautet ein altes sarenisches Sprichwort, das seit jeher viele Einwohner des Landes sich zu Herzen nehmen - aber auch dieses Engagement konnte bald die Not einiger nicht mehr lindern.

Das Land stagniere wirtschaftlich und politisch, während der König in Saus und Braus lebe, erzählte man sich zunächst hinter vorgehaltener Hand und dann, mit dem Einzug des Internets auch in Sarenien, zunehmend in Blogs und sozialen Netzwerken. Und die Unzufriedenen reagierten: Einige Sarenier, unter ihnen viele jüngere, wandten sich enttäuscht und voller Zweifel an der Zukunftsfähigkeit ihres Landes ab und versuchten, das Kuppa-Gebirge zu überwinden und damit Sarenien in Richtung Europa zu verlassen. Dann protestierten einzelne Sarenier offen, andere schlossen sich an, so viele, dass es in den Straßen der Hauptstadt zu nie dagewesenen Szenen kam: dort die Anhänger des Königs, die lauter als je zuvor Siebel II. und seine Verdienste priesen, dort Protestierende, in ihrer Zahl die Königsanhänger bald um ein Vielfaches überschreitend, die ein demokratisches System, eine umfassende gesellschaftliche Öffnung und eine wirtschaftliche Modernisierung forderten.

Der Protest erfasste ganz Sarenien. Die Nachrichten und die mit ihnen einher gehenden Diskussionen verbreiteten sich über soziale Netzwerke und Blogs in Windeseile, politisch besonders engagierte Bürger starteten gezielt Kampagnen oder gründeten Foren. Und da durch eine relativ große Zahl an Internetnutzern die Neuigkeiten auch in die letzten Winkel Sareniens getragen wurden, begann auch die königliche Fernseh- und Rundfunkanstalt darüber zu berichten. Dass sich dann ausgerechnet die einzige große Zeitung des Landes in „Sarenischer Volksfreund“ umbenannte und in großem Umfang kritische Leserbriefe zuließ, machte ein ganzes Volk zu Debattanten.

Viele, besonders die Jungen, betonten die Forderung nach Bürgerrechten ebenso wie die Notwendigkeit eines einzuleitenden Strukturwandels und die einer modernen Energie- und Umweltpolitik. Sie wurden nicht müde, die auch durch die großen Ausgaben des sarenischen Hofes bedingte Verschuldung ihres Landes als großes Problem anzuprangern. Dass diese Verschuldung die Bekämpfung der ansteigenden Arbeitslosigkeit und notwendige Modernisierungsmaßnahmen im Bereich der Sozialversicherungen erschwere, darüber herrschte bei Jung und Alt Einigkeit, nicht aber in der Frage, wie es zu lösen sei. Viele der älteren Sarenier zeigten große Sympathie für einen starken Staat und eine Ordnung durch eher traditionelle Instanzen. Und einigen der Biebilier wiederum war diese Dabatte herzlich egal: Längst forderten sie ihren eigenen Staat, das unabhängige Biebilanien.

Foto: Blick auf aylanische Siedlung, im Vordergrund Weinanbaugebiet an den Ausläufern des Kuppa-Gebirges gelegen Foto: Blick auf aylanische Siedlung, im Vordergrund Weinanbaugebiet an den Ausläufern des Kuppa-Gebirges gelegen

Und nun hält ganz Sarenien den Atem an. Aylaner und Biebilier, Männer und Frauen, Alt und Jung, Traditionalisten und Modernisierer, Royalisten und Demokraten blicken voller Hoffnung auf Albert. Alle hören in diesen Momenten wie der Mann, von dem sie einst noch annahmen, er werde die Nachfolge seines Vaters antreten, die ungeheuerlichen Worte spricht: „Sarenien sind wir!“ Atemlos verfolgen sie die weiteren Ausführungen des jungen Hoffnungsträgers: „Meine lieben Landsleute. Heute ist ein Tag der Trauer, mein Vater, unser König, ist nicht mehr in der Lage, unsere Geschicke zu leiten. Heute soll der Tradition folgend auch der Tag meiner Krönung sein. Dieser Tag ist heute nicht. Ich bin fest entschlossen, die Macht in die Hände des sarenischen Volkes zu legen. Gemeinsam werden wir in einem demokratischen Sarenien die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft meistern. Sarenien sind wir!“

Foto: Albert spricht historische Worte: „Sarenien sind wir!“ Foto: Albert spricht historische Worte: „Sarenien sind wir!“

Noch am gleichen Tag verkündet der Sarenische Volksfreund, dass Bürgerinnen und Bürger gebeten werden, an der neuen Verfassung des Landes mitzuwirken. Zudem werden alle Einwohner darüber informiert, dass Albert in Deutschland, wo er studierte, nach Experten nachgefragt hat, die den verfassungsgebenden Rat in allen wichtigen Fragen unterstützen sollen. Kann die deutsche Demokratie ein Vorbild für Sarenien sein? Die Teilhaberechte der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands, das Modell der repräsentativen Demokratie, die deutsche Medien- und natürlich die Parteienlandschaft der Bundesrepublik, auch das Wahlsystems Deutschlands - Vorbild für Sarenien?

Der verfassungsgebende Rat wird mit den Experten diese Themen aufgreifen und die folgenden Fragen beantworten, so dass in Bälde Sareniens erste demokratische Verfassung in Kraft treten kann:

Welche Einflussmöglichkeiten sollen die Bürgerinnen und Bürger eines demokratischen Sareniens haben? Wie soll das Demokratiesystem Sareniens ausgestaltet sein und auf welchem Demokratiemodell soll es primär aufbauen? Welche Bedeutung sollen die Medien in Sarenien haben? Welche Bedeutung sollen die Parteien in Sarenien haben? Welches Wahlsystem braucht Sarenien?

Sarenien blickt nun nicht mehr auf Albert allein. Sarenien blickt erstmals voller Hoffnung auf die Bürgerinnen und Bürger, die sich jetzt in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen, ganz Sarenien blickt voller Hoffnung auf den verfassungsgebenden Rat und die beratenden Experten...

 

 

Umsetzungsbeispiel "Wir sind Sarenien"
Umsetzungsvorschlag "Sarenien" / Falltext PDF-Dokument:
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