Zur Hauptnavigation springen [Alt]+[0] Zum Seiteninhalt springen [Alt]+[1]

Das Beschreiben als Gegenstand der Schreibförderung

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.

Die Gegenstandsbeschreibung als literarische Tätigkeit. Aspekte und Stationen

Die Gegenstandsbeschreibung ist im schulischen Kontext vor allem als pragmatische Schreibform, in der Regel in der Unterstufe, bekannt. Diese Festlegung grenzt sie aber in zweierlei Hinsicht unnötig ein. Zum einen ist das Beschreiben durchaus auch eine literarische Tätigkeit, die Pflege über die Unterstufe hinaus verdient, zum anderen verhindert die Einschränkung auf die Unterstufe die im weiteren Sinne reflektierte Beschreibung (1). . In der Folge soll die Beschreibung als Schreibform für das gesamte Curriculum vorgeschlagen werden. Sie eignet sich als eigenständiges Projekt, besonders aber auch als Unterstützung für andere Schreibformen. Die Ausführungen stützen sich auf Unterrichtserfahrungen und Schreibversuche im Umfeld des Landeswettbewerbs Deutsche Sprache und Literatur. Sie sind für alle Altersstufen des Gymnasiums gedacht. Das macht sie an manchen Stellen recht allgemein. Beispielhaft konkretisiert findet sie sich in den folgenden Materialien. Hier seien in der Folge zunächst in allgemeiner Form die üblichen Stationen dargestellt.

Der Gegenstand (2)

Als Gegenstand eignet sich einerseits prinzipiell alles, andererseits sollte der Gegenstand sorgfältig ausgesucht werden. Insgesamt hat sich gezeigt:

Gut ist, wenn der Gegenstand eine Geschichte hat, erfolgreich als Schreibimpuls war zum Beispiel ein Nagel aus einem sehr alten Abbruchhaus (3). Sehr gut sind Gebrauchsspuren auf dem Gegenstand. Beschädigungen können geradezu ein Glücksfall sein, weil sie eben Hinweise auf die dem Gegenstand eigene Geschichte sind. Sehr wirkungsvoll ist es der Erfahrung nach auch, wenn der Gegenstand in seiner ursprünglichen Umgebung erforscht werden kann. Ein Stein in einer alten Mauer lädt zu Wahrnehmung und Beschreibung auch durch seine Umgebung ein.

Gut ist weiterhin, wenn der Gegenstand ein oder das Original ist. Ein Foto des sehr alten Nagels wäre schlechter als der Nagel selbst, noch schlechter wäre eine Kopie des Fotos etc. Wenig hilfreich sind die als Schreibimpuls zu häufig eingesetzten Abbildungen aus Zeitschriften. Insgesamt lässt sich sagen, dass im Vergleich das Original gewinnt, ebenso das Konkrete, vielleicht überhaupt das Authentische. Hilfreich ist außerdem, wenn der Gegenstand nicht nur angeschaut, sondern auch betastet und überhaupt vielfältig erforscht werden kann (4).

Die Schreibsituation

Beobachten und Beschreiben brauchen Zeit und Konzentration. Voraussetzung für den gelungenen Einstieg in das Beschreiben ist unter anderem die Herstellung der günstigen Schreibsituation. Konzentrations- und Wahrnehmungsübungen können dabei sehr hilfreich sein. (5) Sie lohnen sich eigentlich immer. Auch ist der Ort der Beobachtung unter Umständen entscheidend für den Erfolg. Manche Gegenstände der Beschreibung regen von selbst Neugier und Nachdenken an, andere brauchen eine Einführung. Informationen also, aus welchem Haus der Nagel stammt, konkretisieren über die Materialität des Gegenstandes hinaus, ohne einzuengen. Bisweilen schwierig für den Lehrer ist es, dass Schreibende, schon wenn der Prozess des Beobachtens gestartet ist, in Ruhe gelassen werden müssen. Bereits das Gefühl, selbst beobachtet zu werden, kann stören. Es hat sich bewährt, die Lehrperson den gleichen Anforderungen auszusetzen, wie sie die Schüler gerade erleben, wenn er also selbst betrachtet und schreibt.

Das Schreiben

Es versteht sich von selbst, dass dem Schreiben ein sorgfältiges Betrachten vorausgehen muss, was Zeit braucht. Es hat sich bewährt, zu Beginn der Schreibphase keine Sätze zu formulieren, sondern vielmehr Eindrücke zu notieren. Empfehlungen, besonders auf das Sehen, das Tasten oder gar das Riechen zu achten, können hilfreich sein. Entscheidend ist hier die Suche nach dem Wort, das dem Eindruck am ehesten entspricht. (6) Im Anschluss an die Sammel- und Notierphase (7) sollten erste Sätze oder Textabschnitte entstehen, die dann im individuellen Schreiben in einen wie immer gearteten Text umgesetzt werden. Verfrüht wäre zu diesem Zeitpunkt die Festlegung auf eine Textsorte wie alle formalen Festlegungen.

Das Überarbeiten

Der erste Schreibprozess, vor allem wenn der Einstieg gelungen ist, vermittelt häufig ein so positives Gefühl, dass man versucht ist, es bei dem Schreiben mit anschließender Würdigung von Schülerleistungen zu belassen. Damit aber würde der didaktische Ertrag der Beschäftigung mit dem Beschreiben zu großen Teilen verschenkt werden, insbesondere, was die Entwicklung von Schreibkompetenzen angeht.

Das Überarbeiten ist hier nicht nur als das Tilgen von Fehlern zu verstehen, wiewohl sich das, je nach Schreibprodukt, durchaus anbietet. Ein geschriebener Text kann über Korrekturen hinaus in verschiedene Richtungen hin gesteigert oder intensiviert werden, es kann auch eine Konzentration auf ausgewählte Aspekte stattfinden. Eine weitere Möglichkeit ist der Versuch, Überflüssiges zu streichen. Die Reduktion des Textes auf das Notwendige ist fast immer bereichernd. Nebenbei fällt oft auch auf, was noch fehlt.

Insgesamt ist die Überarbeitung, konsequent durchgeführt, genauso ein Stück Pflege oder Entwicklung des eigenen Stiles wie des Schreibproduktes.

Schließlich sollte der entstandene Text auf eine passende Textsorte hingeführt werden. Diese ergibt sich bisweilen von selbst, in anderen Fällen kann je nach didaktischer Zielsetzung gesteuert werden. Die sprachliche Gestalt erweist sich ja häufig als wichtiges Charakteristikum der Beschreibung. Manchmal entsteht durch formale Überarbeitung des Geschriebenen aus der Beobachtung eines Gegenstandes ein Gedicht, bisweilen durch das Weiterdenken ein Essay.

Der didaktische Nutzen der Beschreibung als literarischer Tätigkeit liegt zunächst im Bereich der geschärften Wahrnehmung, dann in der Benennung und Beschreibung, der Umsetzung von Eindrücken in Sprache, mithin also in einer bedeutenden Erweiterung des Wortschatzes. In der Reflexion des Wahrgenommenen/Beschriebenen schließlich liegen Chancen des vertieften Verstehens von beobachtetem Objekt und wahrnehmendem Subjekt. Hierzu gehört auch das schreibende Weiterdenken, das sich vom beobachteten Gegenstand ablösen kann. Schließlich findet auch, fast beiläufig, die erwähnte Pflege des eigenen Schreibstiles statt.

Rückmeldungen

Das literarische Schreiben scheint sich als freies Schreiben zunächst der Einflussnahme von außen zu widersetzen. Tatsächlich gibt es auch durchaus Bereiche und Aspekte von Schreibprodukten, die sich der Einflussnahme durch den Lehrer entziehen. Dazu gehört zunächst einmal alles, was an Persönlichem aus dem Leben des Schülers in das Schreiben eingeflossen ist. Die Zurückhaltung ist unter anderem deshalb wichtig, weil die dargestellte Form der Gegenstandsbeschreibung häufig Ansätze von Selbstreflexion mit sich bringt, bisweilen ohne Absicht des Schreibenden. Andere Bereiche des Schreibens sind der Rückmeldung durchaus zugänglich. Die Wirkung zum Beispiel, die ein Text auf einen Leser ausübt, kann nur in einer Leserreaktion erfahren werden. Die beratende Rückmeldung ist auch da sinnvoll, wo sie Gestaltungs- und Überarbeitungsmaßnahmen nicht einfordert oder nahelegt. Schließlich ist auch die sprachlich formale Gestalt des Schreibproduktes Gegenstand einer Rückmeldung, die hier durchaus klare Auskunft über richtig und falsch liefern sollte. Insgesamt empfiehlt sich Vorsicht bei Rückmeldungen, die Deutlichkeit des persönlichen Urteils wird in der Regel nachdrücklich eingefordert, wenn sie denn erwünscht ist. Die Bewertung literarischer Arbeiten mit Noten wird schon lange kontrovers diskutiert. (8)

Und dann?

Typische Erfahrung in der Schule ist, dass man, insbesondere schreibend, mit Mühe etwas erzeugt, was dann keine Verwendung findet. Die damit verbundene Enttäuschung ist nicht immer zu vermeiden, manchmal aber gelingt es doch, dass Produkte Verwendung und Würdigung finden.

  • Schreibprodukte können zu Wettbewerbsbeiträgen werden, innerschulisch wie darüber hinaus.
  • Von gelungenen Texten kann nicht nur der Autor lernen. Schülerarbeiten können ernstzunehmende Gegenstände des Literaturunterrichts sein.
  • In der Unterstufe bietet sich die Präsentation des Geleisteten auf Elternabenden oder in der Schulöffentlichkeit an.
  • Auch die immer wieder ins Leben gerufenen Schülerzeitschriften bieten eine gute Plattform für Schreibprodukte.
  • Weniger Verwertung als Würdigung liegt im Portfoliogedanken. Schülerinnen und Schüler tun gut daran, besondere Schreibprodukte zu sammeln und somit ihre Schreibbiographie ein Stück weit zu dokumentieren.

Mögliche Weiterung

Inwieweit durch die Steigerung der Schreibkompetenz auch die Lesekompetenz wächst, lässt sich im Zusammenhang mit der Gegenstandsbeschreibung leicht untersuchen, indem im Anschluss an intensives Beschreiben der gemeinsame Blick auf Dinggedichte gelenkt wird. Insbesondere Rilkes „Panther“ kann neu erlebt werden, aber auch „Inventur“ von Günter Eich ist, mit der Erfahrung des eigenen Schreibens im Rücken, ein neuer Text geworden, indem die Fokussierung auf das eigene Schreiben den Blick für fremdes Schreiben geschärft hat . (9) Der Schritt vom Schreiben zum Lesen gehört streng genommen nicht mehr zur Schreibförderung, bietet sich aber als Fortsetzung des Schreibens an.

 

Insgesamt gilt wohl, dass die Beschreibung als literarische Tätigkeit ein wertvolles Instrument innerhalb der Schreibdidaktik sein kann. Stilpflege ist ein wichtiger geförderter Bereich, aber auch das Beschreiben an sich ist sicher förderungswürdig. In zweiter Linie ist die Beschreibung nützlich als Übung für Textanalyse, den Essay und wissenschaftliches Schreiben insgesamt. Auch in anderen Fächern, zum Beispiel in den Naturwissenschaften, ist die Fähigkeit zu beschreiben zentral. Der Erfolg der Bemühung um Beschreibungskompetenz hängt nicht zuletzt von der Verstetigung und Habitualisierung der Schreibpraxis ab. Dabei gewinnt das Schreiben im Unterricht in dem Maße an Bedeutung, in dem die Zeit abnimmt, die unsere Schülerinnen und Schüler für häusliches Schreiben nutzen können. Ein Vorteil des beschriebenen Verfahrens ist sicher, dass es mit geringem Aufwand an Vorbereitung und Material durchgeführt werden kann.

Anmerkungen

  1. Siehe hierzu auch die Ausführungen zur Versuchsbeschreibung in der Klasse 10.
  2. Bei Google finden sich (9.1.2013) 14300 Einträge zum Stichwort „Schreibimpuls“. Die Bedeutung des Katalysators, der den Schreibprozess starten soll, wird offenbar allgemein erkannt.
  3. Sehr nützlich ist ein Realienkoffer, eine Sammlung von Gegenständen also, die zum Betrachten und Beschreiben einladen. Geschichtslehrer kennen die Wirkung von Gegenständen, die beim Konkretisieren von Vorstellungen helfen.
  4. Gegenstand kann auch ein Ort sein, der mit allen Sinnen erlebt wird, bevor das Schreiben beginnt.
  5. Konzentrationsübungen in diesem Sinne sind solche, wie sie auch in der Theaterpädagogik Anwendung finden, zum Beispiel im Kursbuch Darstellendes Spiel . Klett 2009.
  6. „Wir müssen wahre Worte finden.“, heißt es schon früh bei Ingeborg Bachmann.
  7. Verschiedentlich ist in der Literatur vom Wortspeicher als vom bewusst nicht geordneten Aufschreiben die Rede. Wichtig ist, dass das Notieren nicht von Anfang an einer festgelegten Ordnung folgt. Der Eindruck ist das Erstrangige, gefolgt vom für ihn passenden Ausdruck, der später in einen Zusammenhang gestellt wird.
  8. Grundlegend hier: Dieter Heck, Walter Reiser, Günter Trenz: Neue Formen der Leistungsbeurteilung an Gymnasien . Stuttgart 2001.
  9. Siehe hierzu den Abschnitt „Literarische beschreibende Texte als Mittel zur Schreibförderung“.

 

Das Beschreiben als Gegenstand der Schreibförderung:
Herunterladen [docx] [27 KB]