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Didaktischer Kommentar: Stunden 9-10

Die Republik China: Implosion des Qing-Imperiums oder kommunistische Revolution?

Vertiefung: Der Widerstand gegen Japan als Ursprung des kommunistischen Erfolgs? (optional)

In der 9. und 10. Stunde wird der Zeitraum von etwa 1900 bis 1949 verdichtet dargestellt. Der Bildungsplan verlangt keine ausführliche Beschäftigung mit dieser Epoche, sondern setzt sie gewissermaßen in ihren Grundzügen für die Betrachtung der Volksrepublik China voraus. Dies kann gerafft z.B. in Form eines Strukturdiagramms zu dem folgenden Darstellungstext oder einem Schulbuchtext in einer Einzelstunde erfolgen, oder vertieft über die Problematisierung der Bedeutung des Widerstands gegen Japan für den kommunistischen Erfolg in einer Doppelstunde.

Zerfall des Imperiums: Das Qing-Imperium befand sich nach dem Boxer-Aufstand in einem desolaten Zustand. Die Demütigung durch fremde Mächte, das gesellschaftliche Übel des Opiumkonsums, die Sklerose des Beamtenapparats gerade in der Hauptstadt hatten die Fundamente der chinesischen Gesellschaft ausgehöhlt. Der ab 1908 regierende (und letzte) Kaiser von China, der 8-jährige Puyi, wurde zwar als Himmelssohn in der Verbotenen Stadt verehrt, konnte aber keinerlei politische Strahlkraft in der Bevölkerung mehr entfalten. Das als Zeichen des Widerstandes praktizierte Abschneiden des Zopfes, den die Qing-Dynastie den Chinesen als Zeichen ihrer Unterwerfung vorschrieb, wurde mit dem Tode bestraft. Die Versuche der Qing, mit Gegenmaßnahmen den Verfall zu stoppen, blieben halbherzig: nach westlichem Vorbild wurden Fachministerien geschaffen, die Beamte erhielten fachspezifische Unterweisungen; 1906 wurde beschlossen, nach japanischem und deutschem Vorbild bis 1917 eine Verfassung auszuarbeiten, die auch eine Beteiligung des Volkes im Rahmen eines Parlamentes vorsah. An den grundsätzlichen Missständen änderte sich aber wenig: Während in den Palästen des Kaisers hunderte von Eunuchen, immerhin hohe Beamte des Reiches, für den Kindkaiser Badewasser einließen, die goldenen Löwen polierten und konfuzianische Schriften vorlasen oder 25 (!) verschiedene Gerichte pro Mahlzeit aufbereiteten, hungerten hunderte Millionen Chinesen auf dem Land: sie säten und ernteten wie vor 2000 Jahren und leisteten ihre Abgaben an ihre Grundherren.

In der Bevölkerung gärten diese Missstände, und gerade die gebildeteren Chinesen, die über Auslandserfahrung verfügten, wollten eine radikale Veränderung des Systems. Der Arzt Sun Yatsen gründete 1905 eine „Revolutionäre Allianz“, in deren Manifest es heißt: „Unser ganzes Volk ist gleich, und alle genießen die gleichen politischen Rechte. Wer immer es wagt, sich zum Monarchen zu machen, gegen den wird sich das ganze Land erheben.“ Zu dieser Revolution kam es dann auch im Jahre 1911/12, als sich ein Aufstand der Revolutionären Allianz wie ein Flächenbrand ausbreitete, unterstützt von meuternden Soldaten und selbst den Provinzgouverneuren. Millionen von Chinesen schnitten sich den Zopf, das Zeichen ihrer Untertanenschaft unter die Qing, demonstrativ ab. Ende Dezember 1911 wurde Sun Yatsen von den Provinzversammlungen zum provisorischen Präsidenten der Republik China gewählt. Im Februar 1912 wurde der Kindkaiser zur Abdankung gezwungen, es endeten mehr als 2100 Jahre Monarchie. In den ersten freien Wahlen Chinas 1913 erzielte die Partei Sun Yatsens Guomindang (= Nationale Volkspartei) fast 50% der Stimmen im Parlament.

Schwierige Anfänge der Republik: Die ersten Jahrzehnte der Republik sollten nun bis zur Gründung der Volksrepublik geprägt sein von weiterem Staatszerfall und Bürgerkrieg. Bereits 1913 wurden auf Druck Großbritanniens und Russlands Tibet und die äußere Mongolei unabhängig. Japan baute im Ersten Weltkrieg seinen Einfluss in China aus, was im Vertrag von Versailles bestätigt wurde. In der Folge gründete sich eine antiimperialistische Nationalbewegung um Chiang Kaishek, die zunächst mit der ebenfalls stark national-antiimperialistisch auftretenden kommunistischen Partei des Mao Zedong zusammenarbeitete. Ideologische und machtpolitische Gegensätze führten bald aber dazu, dass sich die beiden Gruppen zunehmend bekriegten, im Grunde genommen herrschte in China bis 1949 ein latenter Bürgerkrieg der beiden Gruppierungen, der nur unterbrochen bzw. überlagert wurde durch die japanischen Besetzung der Mandschurei 1931 und die folgende Expansion in China bis 1945.

Der Aufstieg der KP Chinas: Wie konnte es gelingen, dass aus den 60 kommunistischen Mitgliedern in 5 Ortsgruppen 1921 eine dominierende, das Land von 450 Millionen Einwohner bestimmende Partei wurde? Eine maßgebliche Rolle dabei sollte der Geschichtslehrer und Bauernsohn der Provinz Mao Zedong spielen. In der Zeit der fehlenden Ordnung nach 1916, als warlords in den Provinzen die Macht übernahmen, die Staatlichkeit Chinas im Grunde erodierte und teilweise anarchische Zustände mit 10 000 Toten herrschten, schloss sich Mao der Protestbewegung des 4. Mai an und las das kommunistische Manifest von Marx/Engels. 1921 wurde mit Hilfsgeldern aus Moskau die erst KPChi gegründet, und Mao war dabei.

Japanische Besatzung: In den Jahren bis zur japanischen Besetzung ist China im Grunde territorial aufgeteilt: große Teile des ländlichen China wurden von warlords beherrscht, die keine politischen Ziele außer dem Machterhalt verfolgten. Im Süden und Osten hatte die Guomindang von Chiang Kaischek ihre Hochburgen und kontrollierte das Land, sie strebte eine nationalistisch-republikanische Staatsform für ganz China an. Ihr Anführer versuchte, faschistische und autoritäre Strukturen, die er in Japan kennengelernt hatte und in Europa sah, auf China zu übertragen (Absoluter Gehorsam und Disziplin, Militarismus, Nationalismus). In einigen wenigen Städten und im Südosten Chinas haben die Kommunisten eine Organisationsstruktur entwickelt. Im Südosten baute Mao mit einigen tausend Roten Milizionären eine kleine Sowjetrepublik in Jiangxi (ca. 6 Mio. Einwohner) mit sowjetischer Unterstützung auf und gewann durch sein brutales Vorgehen gegen die Großgrundbesitzer die Unterstützung vieler Bauern. Im Unterschied zur KP in den Städten entdeckte Mao die Bauern auf dem Land als die eigentliche revolutionäre Klasse Chinas.

Die KP und der „lange Marsch“ : Hatten anfangs der 1920er Jahre Guomindang und KPCHi noch zusammengearbeitet (auch Mao war 1923 in die Guomindang eingetreten), kam es ab 1926 zu zunehmenden Konflikten. Zwischen den verschiedenen Parteien entbrannte ein heftiger Bürgerkrieg, der von allen Seiten mit großer Brutalität und gezieltem Terror geführt wurde. Gefangene Gegner wurden in der Regel hingerichtet, oft noch zuvor gefoltert. Mao ließ in seiner Sowjetrepublik im Südosten fast alle Großgrundbesitzer hinrichten, auch kritische Elemente in den eigenen Reihen wurden nicht verschont. Als der Druck von Chiang Kaisheks Truppen 1934/5 zu groß wurde, brachen etwa 80 000 Kommunisten, Männer, Frauen, Kinder und das gesamte Parteiarchiv, zum sogenannten langen Marsch auf. Über 12 Monate hinweg zogen sie vom Südosten Chinas 8000 km nach Westen und Norden bis fast an die Grenze zur Mongolei, der Provinz Shaanxi. Heftige Kämpfe, Krankheiten, Desertionen und Erschießungen dezimierten die Kommunisten derart, dass am Ende nur 8000 von ihnen übrig blieben. In dieser Zeit setzte sich Mao, mit Geschick und Rücksichtslosigkeit, gegen alle Konkurrenten durch und etablierte sich als wichtige Führungsfigur. Seine Guerilla-Taktik der kleinen Nadelstiche war erfolgreicher als die großen Schlachten im offenen Feld. Der lange Marsch und seine Entbehrungen avancierten damit zum Gründungsymythos der chinesischen Volksrepublik. Die Veteranen dieses Gewaltmarsches sollten nach1949, alle Mao treu ergeben, wichtige Führungspositionen im Land übernehmen. Später mussten die Kinder in der Schule lernen: „Wenn du etwas schwierig findest, dann denke an den Langen Marsch.“

Bürgerkrieg und Sieg Maos : Nach dem Einmarsch Japans und dem Nanjing-Massaker 1937 entwickelte sich sporadisch eine Zusammenarbeit der Guomindang mit den Kommunisten gegen die Japaner, die allerdings nach deren Niederlage 1945 schnell zerbrach. Die Japaner verfolgten ihre Expansion mit dem Mittel „Dreimal alles“: alles plündern, alles niederbrennen, alles töten. Etwa 15 Millionen Chinesen dürften dem Widerstand gegen die Japanische Besatzung zum Opfer gefallen sein. Hatten die US-Amerikaner im August 1948 noch Chiang Kaishek und Mao an einen Vertragstisch gebracht, so zerbrach der Frieden im Zuge der Entstehung des Kalten Krieges. 3,5 Millionen Nationalisten, unterstützt von amerikanischen Waffen, standen 1 Million Kommunisten, unterstützt von der SU gegenüber. Erneut gingen beide Seiten mit systematischen Erschießungen und Terror gegen die Zivilbevölkerung vor. Schließlich waren es militärische Fehleinschätzungen der Nationalisten, die sich zu weit von ihren Basen entfernen, wie auch deren mangelnder Rückhalt auf dem Lande, der ihnen die Niederlage brachte. Die Guomindang hatte sich zu einer reinen Elitenpartei von Armee und Bürgertum entwickelt und keinerlei Rückhalt auf dem Land. Ihre Statthalter plünderten die Regionen aus, so dass die Bauern in Scharen zu den Kommunisten überliefen. Sie jubelten, als Maos Truppen zwischen 1945-49 mehr als 1 Mio. Großgrundbesitzer hinrichten oder steinigen ließen. Maos Armee, die nun von sowjetischen Militärberatern in der Panzerführung und Luftwaffe unterrichtet wurde, konnte ab 1948 große Teile Chinas zurückerobern. 1949 erreichte sie, nun auch ausgestattet mit amerikanischem Beutegerät, die Hauptstadt Bejing, wo Mao am 1.10.1949 die Republik China ausrief.

Der Zusammenbruch des 2000 Jahre alten Kaiserreiches China führte zu einem fast 40-jährigen Bürgerkrieg um die Ausgestaltung der Republik. Den nationalistisch-konservativen und kommunistischen Kräften ist eine antiimperiale, antieuropäische und antijapanische Stoßrichtung gemein. Während die KPCh aber mit dem Sozialismus auch eine soziale Gleicheitsutopie anbietet, die bei der großen Masse der Bauern auf Zustimmung stößt, unterliegt die eher elitäre Nationalpartei. Der Sieg der KPCh 1949 durch Strapazen, Säuberungen und ideologischer Intransigenz gilt bis heute als Gründungsmythos der Volksrepublik China.

Literatur:

  • Dabringhaus, Sabine, Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert, München 2009, S. 65-112
  • Dabringhaus, Sabine, Mao Zedong, München 2008, S. 23 - 66

 

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