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Cicero über die Erkenntnismöglichkeiten des Menschen

Sokrates suchte die Wahrheit, seine Diskussionen endeten aber regelmäßig in der Aporie. Die Frage, ob der Mensch überhaupt sicheres, völlig zweifelsfreies Wissen erlangen kann, hat die Philosophen nach Sokrates und ebenso Denker anderer Kulturkreise immer wieder umgetrieben. So wird im Pali-Kanon, der ältesten Schrift des Buddhismus (vermutlich 3. Jh. v. Chr.), folgende Geschichte erzählt:

Auf die Frage, weshalb er über die Götter nichts gelehrt habe, antwortete der Buddha mit einer Parabel: Ein König ließ alle Blindgeborenen der Stadt bei sich zusammenkommen und ihnen einen Elefanten vorführen. Ein jeder sollte den Elefanten an der Stelle berühren, die in seiner Reichweite war, und dann erklären, wem der Elefant gleiche. Einer sagte, der Elefant sei wie eine Säule, ein anderer wie ein großer Fächer, wieder ein anderer wie eine Pflugschar usw. Jeder beharrte auf seiner Meinung und so stritten sie miteinander und konnten sich in der Frage, wem nun ein Elefant gleiche, nicht einigen.

Interpretieren Sie diese Parabel im Hinblick auf die menschliche Erkenntnisfähigkeit.

Auch Cicero hat sich zur Frage der menschlichen Erkenntnisfähigkeit geäußert:

Cicero, Text 1 (Vokabelblatt 5-6)

Nos, qui sequimur probabilia nec ultra id, quod
verisimile occurrit, progredi possumus,
et refellere sine pertinacia et refelli sine iracundia parati sumus.
(Cicero, Tusc. 2, 5)

probabilia (n. Pl.): Das Adj. ist hier als Substantiv verwendet: das Einleuchtende

pertinacia, ae f: Starrsinn, Sturheit

Cicero, Text 2 (Vokabelblatt 6)

Neque nostrae disputationes quicquam aliud agunt, nisi ut in utramque partem dicendo et audiendo
eliciant et tamquam exprimant aliquid, quod aut verum sit aut ad id quam proxime accedat.
(Cicero, Libri Academici priores 2,7)

quicquam = quidquam

elicere: herauslocken
quam + Superlativ = möglichst + Grundstufe

  1. Erarbeiten Sie aus den beiden Texten (jeweils mit lateinischen Belegen)

    1. Ciceros philosophische Position bezüglich der menschlichen Erkenntnismöglichkeiten.

    2. Ciceros philosophische Methode: Wie geht er vor, um Erkenntnis zu gewinnen?

  2. Vergleichen Sie Ciceros Position zur Erkenntnisfähigkeit des Menschen mit der zu Beginn der UE gelesenen Beschreibung der Philosophie.
  3. Untersuchen Sie, ob man Cicero bzgl. der von ihm hier beschriebenen Methode der Erkenntnisgewinnung als geistigen Schüler des Sokrates bezeichnen könnte.
  4. Nach einem Artikel in der Wochenzeitschrift die Zeit (Martin Spiewak, Nachhilfe in Skepsis, in: DIE ZEIT, 10/2018, S. 36) bilden sich inzwischen ca. 20% der 18- bis 24-Jährigen ihre politische Meinung ausschließlich über das Internet, wobei  sie häufig nicht die Online-Medien von als seriös geltenden Verlagen direkt aufrufen, sondern sich auf die Links der sozialen Medien (Facebook, WhatsApp etc.) verlassen und so andere darüber entscheiden lassen, welche Nachrichten sie überhaupt zu Gesicht bekommen.

    Die beiden Cicero-Zitate beziehen sich auf die Erkenntnisgewinnung in der philosophischen Diskussion.

    Versuchen Sie, Ciceros darin geäußertes Grundanliegen auf die politische Bildung zu übertragen, indem Sie eine Anleitung entwerfen, wie ein mündiger Bürger sich bei den heutigen Informationsmöglichkeiten ein möglichst objektives Bild der Wirklichkeit verschaffen und eine möglichst eigenständige Meinung bilden kann.

 

 

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