Zur Hauptnavigation springen [Alt]+[0] Zum Seiteninhalt springen [Alt]+[1]

Möglicher Unterrichtsverlauf

Problemeröffnung

Der Einstieg kann verschiedene Ziele verfolgen: Als Kurzinformation, um die SuS zu einem eigenen Spontanurteil zu motivieren, als Lernstandserhebung, um den bisherigen Wissensstand des ethischen Argumentierens zu reflektieren oder als Vorreflexionsphase für die folgenden Schritte.

Je nach Zielrichtung bieten sich hier verschiedene Möglichkeiten an:

Möglichkeit 1: Filmausschnitt aus der ARD-Dokumentation „Nestlé nimmt Menschen in Afrika das Wasser - Pure Life Skandal“ (https://www.youtube.com/watch?v=CoOECk4UCkE 0:41 – 03:30).

Zum Inhalt: Getränke- bzw. Lebensmittelkonzerne wie Nestlé (aber auch Coca-Cola, Pepsi, Danone) pumpen in Entwicklungsländern Grundwasser ab, um es zu vermarkten.

Möglichkeit 2: Anforderungssituation (M1)

Große Pause: Peter packt eine Flasche Mineralwasser und einen Schokoriegel aus. Gerade will er einen Schluck aus der Flasche nehmen, da spricht ihn sein Mitschüler an: „Weißt du, dass du gerade armen Menschen in Afrika das Wasser wegtrinkst? Ich habe neulich den Film ‚Bottled Life‘ gesehen, in dem gezeigt wird, dass die großen Konzerne sogar in afrikanischen Entwicklungsländern das Quell- und Grundwasser anzapfen und für teures Geld verkaufen. Für uns ist es einfach nur Wasser, für die Leute dort ein Luxusprodukt wie unser Champagner. Der Grundwasserspiegel sinkt und die Armen können es sich nicht leisten.“

Didaktischer Hinweis: Die Anforderungssituation zielt direkt auf unser Verbraucherverhalten ab und nimmt die SuS mit ins Zentrum des Geschehens hinein.

Als Alternative ist es auch möglich, direkt mit Bezug auf die globale Dimension des ethischen Problems der Wasservermarktung zu starten:

Möglichkeit 3: Anforderungssituation: Du sollst im Fach Religion eine Kurzpräsentation zum Thema: „Gibt es ein Recht auf Wasser?“ erarbeiten. Als Vorarbeit musst du eine Mindmap über die Aspekte, die du in diesem Zusammenhang behandeln willst, gestalten und dir eine spontane Antwort überlegen.

Möglichkeit 4: Eröffnungsrede: „Bei einem Planspiel zur Globalisierung hast du die Rolle eines Anwalts einer internationalen Organisation erhalten. Deine Aufgabe ist es, eine Eröffnungsrede zum Thema…

„Gibt es ein Menschenrecht auf Wasser?“

oder

„Darf ein Nahrungsmittelkonzern in Ländern mit Wasserknappheit zur eigenen, globalen Vermarktung Trinkwasser wie einen Rohstoff abbauen?“

zu halten.

Möglichkeit 5: Die SuS setzen sich mit der These: „Wasser wird immer mehr zu einem knappen und kostbaren Gut und damit auch als Anlageobjekt zunehmend interessant.“ auseinander und gestalten dazu ein Placemat.

Erarbeitung I

Diese Erarbeitungsphase bezieht sich auf die Einstiegsmöglichkeiten 1 und 2.

Think-Pair-Share: Arbeitet das moralische Problem1 heraus, das sich aus den Informationen der Filmsequenz / für Peter ergibt. Setzt das Problem in Beziehung mit eurem Verbraucherverhalten. Formuliert eine Entscheidungsfrage.

Im anschließenden UG kann man sich bei der Entscheidungsfrage auf eine gemeinsame Formulierung einigen, z. B.: „Darf man / Peter Mineralwasser konsumieren, von dem man / er weiß, dass durch dessen Vermarktung Menschen zu Schaden kommen?“ Daraus ergibt sich ein Pro-Contra-Setting, dessen Bearbeitung den SuS aus anderen Unterrichtssituationen und Fächern bekannt sein wird. Der vorliegende Unterrichtsvorschlag bezieht sich auf dieses Setting. Selbstverständlich können die Unterrichtsmaterialien M1-M5 auch für die folgende Alternative verwendet werden.

Alternative:

Die SuS erhalten die Möglichkeit arbeitsteilig an verschiedenen Entscheidungsfragen, die sich aus der Erarbeitungsphase ergeben haben, zu arbeiten und ihre Ergebnisse am Ende des Unterrichtsgangs zusammenzuführen. Weitere Entscheidungsfragen könnten sein:

  • Darf ein Nahrungsmittelkonzern in Entwicklungsländern, die unter Wasserknappheit leiden, Trinkwasserquellen anzapfen?

  • Habe ich als Verbraucher die Pflicht, mich darüber zu informieren, woher das Wasser stammt, das ich konsumiere? …

Bei dieser Variante arbeiten die SuS (z. B. in GA) selbstständig weiter und können sich dabei an dem Schema ethischer Urteilsbildung M2 orientieren.

Nachdem für die SuS klar ist, an welcher Entscheidungsfrage gearbeitet wird, formulieren sie dazu – ggf. nach einer kurzen Diskussion im UG oder in Kleingruppen - ein intuitives Urteil.

Überleitung

Anknüpfung an Vorwissen:

Was müssen wir in Erfahrung bringen, um ein reflektiertes ethisches Urteil zu bilden?

Wiederholung der nächsten Schritte im Prozess der ethischen Urteilsbildung (Erhellung der Sachverhalte, verschiedene Positionen ermitteln und daraus Argumente gewinnen…). Im Anschluss Ausgabe von AB M2 und Eintrag der bisherigen Ergebnisse.

Erarbeitung II

a) Fakten-Check zur Situation

SuS erarbeiten anhand einer Kurz-Recherche Informationen zu Vermarktung und Konsum von abgefülltem Trinkwasser (AB M3). Die SuS können dabei in Gruppen arbeiten und bei ihrer Recherche arbeitsteilig vorgehen. Im Anschluss tragen die Schülergruppen alle relevanten Fakten zusammen.

In diesem Unterrichtsschritt steht die Frage nach beteiligten Personen(gruppen) und deren jeweilige Interessen im Vordergrund. Außerdem geht es um ökologische, politische, soziale, rechtliche und ökonomische Rahmenbedingungen.

Didaktischer Hinweis: Weitere Materialien, die zusätzlich, alternativ oder zur Information der Lehrkraft verwendet werden können:

Achtung: Viele Konzerne werben mit CSR (Corporated Social Responsibility) und verweisen auf ihren freiwilligen Beitrag zu einer sozial verantwortlichen und ökologisch nachhaltigen Entwicklung, der über die gesetzlichen Forderungen hinausginge. Der Konzern Nestlé erklärt z. B.: „Geleitet durch unseren Nestlé Unternehmenssinn, die Lebensqualität zu verbessern und zu einer gesünderen Zukunft beizutragen, haben wir drei übergeordnete Ziele formuliert. Diese unterstützen uns, unsere sozialen Verpflichtungen bis 2020 und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erreichen: 50 Millionen Kindern zu einem gesünderen Leben zu verhelfen; 30 Millionen Leben in den Gemeinschaften zu verbessern; Streben, dass unser Handeln unsere Umwelt nicht beeinflusst“ (https://www.nestle.de/verantwortung). Diese Art von Öffentlichkeitsarbeit, die von Kritikern als Greenwashing bzw. Bluewashing bezeichnet wird, könnte mit den SuS – auch im Sinne der Leitperspektive Medienbildung - diskutiert werden.

Im Anschluss werden wesentliche Informationen auf AB M2 festgehalten.

Didaktischer Hinweis: Bei Zeitknappheit kann der Fakten-Check mit dem Positionen-Lauf (nächster Unterrichtsschritt) verbunden werden.

b) Ermittlung von Argumentationsansätzen zum Problem aus Texten

SuS erarbeiten in einem „Positionen-Lauf“ aus Texten (M4a – M4e), die an verschiedenen Stellen im Klassenzimmer ausgehängt wurden, Argumente pro und contra (siehe oben: Entscheidungsfrage) heraus. Für eine bessere Lesbarkeit müssen die Texte ggf. von der Lehrkraft digital bearbeitet werden (Texte teilen, Schriftgröße und Zeilenabstände vergrößern).

Aufgabe:

„Arbeitet insgesamt drei bis fünf Argumente zu den einzelnen Positionen heraus. Achtet dabei auf den formalen Aufbau eines Argumentes. Notiert dafür das Argument und seine Prämissen/Stützen jeweils getrennt auf eine Metaplan-Karte.“

Mögliche Formulierungshilfe: These, weil/da … (= Argument), denn (oder andere einleitende Konjunktionen wie z.B. wie, so…) … (= Prämisse/Stütze). Zur Erinnerung: Prämissen/Stützen können Beispiele, Regeln/Gesetze/Gebote, mögliche Folgen, Gerechtigkeitskriterien, Werte, Belege, Analogien… sein.

Im Anschluss werden die Argumente für alle sichtbar geordnet (Cluster – mögliche Ordnungskriterien: Pro und Contra; welche Prämissen passen zu welchen Argumenten?) und die SuS diskutieren über die Stichhaltigkeit der Argumente. Wesentliche und für alle nachvollziehbare Argumente werden auf AB M2 festgehalten.

Didaktischer Hinweis: Dieser Unterrichtsschritt dient auch der Wiederholung des Aufbaus einer erweiterten Argumentation. Um die Stichhaltigkeit der Argumente zu prüfen, können diese und deren Prämissen/Stützen auf verschiedenfarbige Metaplan-Karten geschrieben werden. Dies kann den Auswertungsprozess (z. B. durch ein Cluster) erleichtern.

Sollte die Lerngruppe im ethischen Argumentieren noch ungeübt sein, ist eine detaillierte Anleitung zum Aufbau einer erweiterten Argumentation zu empfehlen. Dazu bietet es sich an, zu Beginn den Aufbau eines Arguments zu wiederholen (vgl. „Brückenbild“ im Aufsatz „Aufbauendes Lernen: Ethische Urteilsbildungskompetenz“). Bevor mit dem Positionen-Lauf, bei dem die SuS eigenständig arbeiten, gestartet wird, kann zunächst im Plenum gemeinsam ein Beispiel aus den Textmaterialien erarbeitet werden.

Überleitung

Wiederholung der philosophisch-ethischen Ansätze Utilitarismus und Pflichtenethik. Stichworte hierzu können als Merkhilfe auf Wandplakaten festgehalten werden.

Didaktischer Hinweis: Wird die vorliegende Unterrichtssequenz als eigener Block unterrichtet, kann hier auch auf die Basistexte zur Pflichtenethik und zum Utilitarismus zurückgegriffen werden.

Erarbeitung III

a) „Argumente-Puzzle“: SuS entwickeln in Kleingruppen aus den erarbeiteten Informationen und Argumenten je 1 - 2 Argumente aus entweder utilitaristischer oder pflichtenethischer Perspektive (arbeitsteilig). Schließlich ergänzen je zwei Kleingruppen ihre Argumente zu möglichst drei verschiedenen Argumenten. Im Anschluss werden die Argumente in gemischten Gruppen (utilitaristisch – deontologisch) verglichen und diskutiert.

Alternative: Jeweils zwei Schüler verschiedener Gruppen (utilitaristisch - pflichtenethisch) treten gegeneinander an: Einer trägt dem anderen sein Argument vor, der andere überprüft es auf logischen Aufbau und Stringenz.

b) Gemeinsame Auswertung im UG und schriftliche Ergebnissicherung auf AB M2 (mögliche Lösungen für eine utilitaristische sowie für eine deontologische Argumentation finden sich in M4*). Dabei ggf. thematisieren, dass die philosophisch-ethischen Sichtweisen nicht notwendigerweise auf ein eindeutiges Urteil abzielen.

Überleitung

UG über die Frage: Welche Elemente christlicher Ethik können mit dem vorliegenden ethischen Problem in Beziehung gesetzt werden? Orientierungsrahmen können biblische Inhalte, Handlungsmaximen (z.B. Goldene Regel) oder die Frage nach den Verlierern bzw. den Hilfsbedürftigen und Schwachen der Gesellschaft darstellen.

Erarbeitung IV

a) Optional: Arbeit mit dem Basistext „Christliche Ethik: Sich berühren lassen“.

Aufgabe:

Arbeitet aus dem Text Elemente christlicher Ethik heraus, die mit dem vorliegenden ethischen Problem in Beziehung gesetzt werden können und entwickelt daraus Argumente.

Möglicher Ansatz zur Binnendifferenzierung: Den SuS Begriffe aus dem Text vorgeben, die sie bei der Bewältigung der Aufgabe unterstützen können: z. B. Mammon, Barmherzigkeit, Egoismus-Verzicht, Verantwortung.

b) Vertiefung durch biblische Verankerung: SuS suchen aus mehreren vorgegebenen Bibelstellen (M5) zunächst in EA fünf heraus, die sie in ihre Argumentation als Stützen mit einbeziehen möchten. In GA wird diskutiert, auf welche vier bis sechs Bibelstellen man sich einigen kann. (Mögliche Lösungen in M5*)

Didaktischer Hinweis: Die mittlere Spalte der Tabelle in M5 (Impulse zum Weiterdenken) ist als Hilfestellung zu betrachten und kann bei hermeneutisch kompetenten SuS auch weggelassen werden (Möglichkeit zur Binnendifferenzierung). Die Arbeit mit den Bibelstellen kann auch ohne weitere Textunterstützung (z. B. durch den Basistext) geschehen und in die sich aus dem UG (vgl. letzte Überleitung) ergebenden Argumentationsansätze eingebettet werden.

c) Im Anschluss entscheiden sich die SuS für zwei bis drei für sie wesentliche Argumente aus christlicher Sicht und halten sie auf dem AB M2 fest.

Schlussreflexion

a) SuS formulieren im Hinblick auf die ethische Entscheidungssituation in EA ein abschließendes Urteil (AB M2) und reflektieren es. Hat sich etwas im Vergleich zum ersten Spontanurteil verändert?

b) Konstruktiver Entwurf: Welche Handlungsalternativen ergeben sich aus dem abschließenden Urteil? Welche davon ist / sind für die SuS konkret umsetzbar? Schriftliche Ergebnissicherung auf AB M2.

c) Metakognition: Warum ist das Problem für den RU von Bedeutung? Welche Ansätze (Pflichtenethik, Utilitarismus, christliche Ethik) haben den SuS bei der Beurteilung des Problems (besonders) weitergeholfen? Inwiefern hat das Problem durch christlich-ethische Positionen einen veränderten Blickwinkel erhalten?

Mögliche Vertiefung: Erstellen eines Erklärvideos

Erklärvideos bieten eine effektive Möglichkeit, erarbeiteten Stoff zu wiederholen und vor allem zu festigen.

Möglichkeit 1: Den ethischen Urteilsprozess in Form von Erklärvideos „nachdrehen“. Dabei eröffnen sich zwei Varianten:

(1) „One-cut-Dreh“: Die SuS gehen in Arbeitsgruppen von je 4-6 SuS zusammen. Alle Gruppen drehen ein kleines Erklärvideo zum ethischen Problem und orientieren sich dabei an den Schritten eines ethischen Urteils (vgl. M2 als Orientierungshilfe). Die Länge darf maximal 3 Minuten betragen und erfordern ein sehr hohes Maß an Konzentration, innerer Kohärenz und Stringenz.

(2) Segmentierung: Der Gesamtdreh wird in einzelne Gruppen zerlegt, die arbeitsteilig arbeiten: Eine Gruppe übernimmt die Situationsanalyse und die Einführung in das Problem. Eine Gruppe stellt das Problem argumentativ aus utilitaristischer Sicht, eine andere Gruppe aus deontologischer Sicht… dar.

Möglichkeit 2: Erklärvideo zu einem analogen ethischen Thema verfassen:

Erklärvideo, in dem SuS erklären und werben für z. B. „Warum wir einen Schulbrunnen brauchen“ …

Natürlich bieten sich auch weitere Möglichkeiten an: Ein Erklärvideo zur Frage: „Was ist utilitaristische Ethik?“, „Woran kann sich christliche Ethik orientieren?“…

 

1 Diese und die folgenden Unterstreichungen zeigen die einzelnen Schritte ethischer Urteilsbildung an, wie sie auf dem AB M2 vorgegeben sind. Aus den Schritten ergibt sich auch die Gliederung des Unterrichtsverlaufs.

 

Unterrichtsvorschlag: Herunterladen [docx][31 KB]

 

Weiter zu Darf jeder anziehen, was er will?