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Diagnosekompetenz

Entwicklung einer Diagnosekompetenz

Begriff:

Der Diagnosekompetenz der Lehrkraft kommt bei pädagogischen Diagnosen eine große Bedeutung zu. So bestätigen empirische Studien, dass eine hohe Diagnosekompetenz einer Lehrkraft zu höheren Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler führt (vgl. Helmke 2009, S. 132). Auch die KMK hat in ihren Standards für die Lehrerbildung unter den 11 definierten Kompetenzen die Diagnosekompetenz ausdrücklich ausgewiesen. Hier heißt es: „Lehrerinnen und Lehrer diagnostizieren Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern, sie fördern Schülerinnen und Schüler gezielt und beraten Lernende und deren Eltern.“ (KMK 2004, S. 11)

Franz Emanuel Weinert beschreibt die Diagnosekompetenz als eine der vier Basiskompetenzen einer Lehrkraft. Eine Diagnosekompetenz umfasst nach seiner Meinung „ein Bündel von Fähigkeiten, um den Kenntnisstand, die Lernfortschritte und die Leistungsprobleme der einzelnen Schüler sowie die Schwierigkeiten verschiedener Lernaufgaben im Unterricht fortlaufend beurteilen zu können, sodass das didaktische Handeln auf diagnostische Einsichten aufgebaut werden kann.“ (Weinert 2000, S. 14) Letztlich ist mit Diagnosekompetenz einer Lehrkraft die Fähigkeit gemeint, Schülerinnen oder Schüler nach festgelegten Kriterien zutreffend zu beurteilen. Andreas Helmke spricht in diesem Zusammenhang umfassender von einer diagnostischen Expertise. Er erweitert damit den Begriff der Diagnosekompetenz und meint damit nicht nur eine Urteilsgenauigkeit, d. h. eine Übereinstimmung von Urteil und Realität. Vielmehr muss die Lehrkraft auch über die passenden Methoden zur Einschätzung von Schülerleistungen verfügen und gleichzeitig mögliche Fehlerquellen oder Urteilstendenzen kennen und vermeiden.

Dabei kann und muss eine Lehrkraft bei der pädagogischen Diagnose dem Anspruch an Objektivität, Validität und Reliabilität nie in dem Maß entsprechen, wie dies bei standardisierten Tests der Fall ist. Wichtig ist, dass sich die Lehrkraft bewusst ist, dass ihre Urteile immer vorläufig und revisionsbedürftig sind. (vgl. Paradies, Linser, Greving 2009, S. 55) Dennoch muss die Lehrkraft ständig überprüfen, ob die Ergebnisse der eigenen Diagnosen nicht durch Fehlerquellen verfälscht werden. (vgl. Paradies, Linser, Greving 2009, S. 66)

Ziel:
Die Diagnosekompetenz einer Lehrkraft soll z. B. zu einem höheren Grad an pädagogischer Professionalität bei der Lerndiagnose führen, ein individuelles Beratungs- und Beurteilungssystem entwickeln und den diagnostischen Blick schärfen. (vgl. Paradies, Linser, Greving 2009, S. 15) Im Hinblick auf die Schulentwicklung ist es dabei sinnvoll, dass eine Lehrkraft bei der Diagnose möglichst nicht als Individuum handelt, sondern dass diagnostische Tätigkeiten im Kollegium gemeinsam geplant, vorbereitet, durchgeführt und ausgewertet werden.

Merkmale:

Andreas Helmke beschreibt einige Merkmale oder Voraussetzungen, die für die Diagnosekompetenz einer Lehrkraft entscheidend sind, (vgl. Helmke 2009, S. 122) dazu gehören:

  • Kenntnisse über grundlegende Begriffe der pädagogischen Diagnose
  • Kenntnisse über Gütekriterien diagnostischer Leistungen
  • Kenntnisse über typische und häufige Fehler und Verzerrungen beim Urteilen
  • Kenntnisse über ausgewählte Diagnoseinstrumente, Test und Fragebogenverfahren,
  • Die Fähigkeit, ein geeignetes Diagnoseverfahren für den gegeben Anlass auszuwählen.
  • Die Fähigkeit im Unterricht einen Test zu entwickeln, ihn einzusetzen, auszuwerten und die Ergebnisse zurückzumelden.
  • Eine Urteilsgenauigkeit, in dem Sinne, dass die Lehrkraft auch abschätzen kann, ob z. B. scheinbar objektivere Testleistungen verlässlichere Messungen ergeben als subjektive Urteile der Lehrkraft.
  • Die Fähigkeit, die erhaltenen Informationen zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler, aber auch zur Planung des eigenen Unterrichts und zur Unterrichts- und Schulentwicklung gezielt einzusetzen.
  • Die Fähigkeit, die erhaltenen Informationen zu einer zusammenfassenden Beurteilung zu entwickeln.
  • Die Fähigkeit, aus einer Diagnose schlüssige Hypothesen abzuleiten und Einschätzungen über eine zukünftige Entwicklung, also Prognosen, zu geben.
  • Die Fähigkeit, Diagnoseergebnisse verständlich und konstruktiv an die Schüler oder Eltern zu vermitteln.
  • Die Fähigkeit, entsprechend der Diagnose, geeignete Fördermaßnahmen zu erarbeiten

Beispiele:

Andreas Helmke empfiehlt neben einer anfänglichen Reduzierung des Diagnosefokus zum Training der Diagnosefähigkeit einen Zyklus in fünf Schritten, um zu überprüfen, inwieweit die subjektive Einschätzung mit der tatsächlichen Ausprägung eines Merkmals übereinstimmt und damit den pädagogischen Blick zu schärfen. (vgl. Helmke 2009, S. 142) Dabei werden die subjektiven Einschätzungen der Lehrkraft mit den Ergebnissen eines von der Lehrkraft durchgeführten Tests verglichen. Dieses Verfahren ist zwar mit einem hohen Aufwand verbunden, als Ziel sieht Helmke dabei neben der Feststellung, wie gut die Diagnosefähigkeit einer Lehrkraft ausgeprägt ist, insbesondere auch die Chance im Rahmen der daraus abgeleiteten Analyse und evtl. Diskussion mit Kolleginnen und Kollegen den eigenen Unterricht zu verbessern.

Tabelle

(vgl. Helmke 2009, S. 142 f.)

Literatur:

  • Helmke, Andreas (2009): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität, Klett Kallmeyer
  • Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) (2004): Standards für die Lehrerbildung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004)
  • Paradies, Liane, Linser, Hans-Jürgen, Greving, Johannes (2009): Diagnostizieren, Fordern und Fördern, Cornelsen Scriptor
  • Weinert, Franz Emanuel (2000): Lehren und Lernen für die Zukunft - Ansprüche an das Lernen in der Schule, in: Pädagogische Nachrichten Rheinland-Pfalz, 2, 1-16

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