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1.2 Visuelle Medien

1.2.2 Didaktisch-methodische Ansätze


Didaktik

Medienkritik
  • „Massenkulturelle Texte“ wie die Bild-Zeitung, Bravo, Reklame, Comics wurden – so Frederking – um 1970 (und früher, seit den 1940er-Jahren) als Kommerzprodukte gesehen, die den Leser manipulieren sollen, um deren Einverständnis mit dem kapitalistischen System herzustellen und heile, ideologisch geformte Welten vorzugaukeln. Der Leser müsse deshalb emanzipiert werden, die Texte müssten kritisch gelesen werden (vgl. Frederking 2012, S. 133).
  • Frederking relativiert diese Aussagen, da die hinter dieser Kritik stehenden „medienkapitalistischen Verschwörungstheorien“ (ebd., S. 134) nicht dem „Kultur- und Marktgeschehen“ entsprächen und Medienrezeption „keine Abfolge von Stimulus und determiniertem Response […], sondern ein konstruktiver und variabler Prozess von Selektion und Adaption“ sei (ebd., S. 134). Er kommt deshalb zu dem Schluss: „Eine Monokultur kritischer Distanznahme verkennt, dass Identifikation mit einer Heldenfigur, atemlose Hingabe an eine aktionsreiche Handlung und Eskapismus in eine Traumwelt wichtige und berechtigte Leseanreize und Lesegewinne sind.“ (ebd.)
  • Dennoch ist Medienkritik auch heute noch eine wichtige Aufgabe: „Bewusstsein für ökonomische Hintergründe der Medienkultur, eine kritische Distanz zu Medienangeboten und eine reflektierte Mediennutzung“ sind wichtig für die Ausbildung von Medienkompetenz (ebd.).
  • Bildfunktionen: Information, emotionaler Appell, Blickfang; Einseitigkeiten und Verfälschungen: Wahl von Bildmotiv und –ausschnitt, Retusche, Fotomontage; Geschmacks- und Tabugrenzen: Gewalt, Sex, Intimsphäre
Literarisches Lernen
  • Literatur ist „kulturelle Praxis“ (Abraham, Kepser 2005; nach Frederking 2012, S. 135), literarisches Lernen kann als „Auseinandersetzung mit fiktionalen Wirklichkeitsmodellen“ (ebd.) verstanden werden: Anhand der Handlung können der Realitätsbezug und der Geltungsanspruch, mittels der Figuren deren Motive, Moral und Geschlechterrolle und anhand der Art der Problemlösung die zugrunde liegenden Weltbilder und Denkfiguren untersucht werden.
  • Auch im Bilderbuch und im Comic lassen sich „komplexere literarische Phänomene erarbeiten“ (ebd.): Typen vs. Charaktere, Helden vs. Schurken, ein- und mehrsträngige Erzählweise, Figurenrede und Erzählkommentar, Humor, Realismus und Fantastik, Epik, Lyrik und Dramatik.


Ästhetische Erziehung

  • Die Fähigkeit zum „Bilderlesen“ wird als „kulturelle Schlüsselkompetenz“ aufgefasst (ebd., S. 136), visuelle Kompetenz bestehe in dem „Erlernen von Bilderlesen und der kulturellen Konventionen, auf denen es beruht“: z.B. Bildeinstellungen (nah, total, Aufsicht etc.), Visualisierung von Bewegung, Kindchenschema (z.B. im Manga), Farben (z.B. bei Supermann), Haarfarbe von Frauen, Mimik, Gestik und Verhältnis Bild-Text.
  • Gründe für die Integration des Bilderlesens in den Deutschunterricht: „Bildrezeption (Wahrnehmen, Erschließen, Reflektieren) erfordert stets sprachlich-kommunikative Prozesse (z.B. Feststellen, Benennen, Paraphrasieren, Begründen)“ (ebd.).


Bildbeschreibung

  • Während Bilder statisch sind und ihre Information simultan vermitteln, entfalten sich Texte chronologisch und argumentativ. Anhand der Verfertigung einer Bildbeschreibung können SuS lernen, einen Text zu strukturieren, wobei auch unterschiedliche Schwerpunktsetzungen möglich sind (vgl. Radvan 2012, S. 193).
  • Eine Bildbeschreibung ist das „Ergebnis eines Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Deutungsprozesses“ (Ludwig/Spinner: Schreiben zu Bildern. In: Praxis Deutsch 5, 1992, S. 13, zit. nach Radvan 2012, S. 193).
  • Zwei Wege sind bei der Bildbeschreibung denkbar: Bilder in ihre kulturgeschichtliche Tradition einordnen oder von der persönlichen Erfahrungswelt des Betrachters ausgehen (ebd.).
  • Kritik an der Bildbeschreibung: Die SuS benötigen maltechnische und kunsthistorische Kenntnisse und müssen enge sprachliche Vorschriften erfüllen (Sachlichkeit, Präsens etc.), der kommunikative Nutzen ist gering, in der Kunstrezeption sind keine objektiven Befunde möglich, in der konstruktivistischen Ästhetik geht es mehr eine subjektive Annäherung und Identitätsfindung (vgl. Frederking 2012, S. 137).

Harald Frommer fordert, dass die Beschäftigung mit einem Kunstwerk von der „Konkretisation zur Interpretation“ gelangen müsse (1988), weshalb die Auseinandersetzung mit einem Bild von einer vorläufigen, möglicherweise falschen Deutung ausgehen soll. Frederking schlägt vor, diesen Ansatz Frommers durch kreatives Schreiben zu realisieren, denn freie Assoziationen und spielerische Spracherprobungen seien als erster Schritt notwendig, um den Schreibprozesses, die emotive und expressive Schreibfunktion zu betonen (Frederking 2012, S. 137 f.); anschließend müsse aber eine kritische Distanzierung erfolgen (vgl. ebd., 141).


Methodik

  • Ausgangspunkt des Unterrichts sollten „subjektive, produktive, konkretisierende Anschlüsse“ (Frederking 2012, S. 141) an das Kunstwerk sein, keine diskursiven (analytischen) Anschlüsse.
  • Handelnde, produktive Anschlüsse sind etwa das Ausfüllen von Sprech- und Denkblasen, eigene Kolorierungen, Weitererzählen eines Einzelbildes, Weiterführung eines Schlusses, die eigene Produktion von Comics, Bilderbüchern, Fotoromanen oder die Umformung eines Bildes in Papier- und Schattentheater, die Vorbereitung von Ausstellungen, das Erstellen von Katalogen, das Schreiben von Rezensionen; Werbungen können mit eigenen Slogans versehen oder durch Bildbearbeitung verfremdet werden.
    Im Anschluss an derartige kreativ-subjektive Anschlüsse an einen visuellen Text sollen die SuS im Verlauf des Unterrichts eine rational-begriffliche Distanz zum ästhetischen Gegenstand aufnehmen, um über die erste subjektive Anschauung „zu reflektieren und [sie] interpretatorisch weiterzuführen“ (ebd.).
  • Formen der diskursiven Analyse sind z.B. lehrergelenkte Unterrichtsgespräche und analytisch-erschließende Schreibaufträge.
  • Fotografien sind selbst Lerngegenstand (Presse-, Werbe-, Kunstfotografien), können aber auch in den Dienst von Gestaltung und Präsentation gestellt werden: „Medien werden genutzt für den Umgang mit Medien“ (ebd., S. 142), z.B. durch Einscannen und Weiterverarbeitung von Bilderbuchseiten, durch Erstellen von Collagen aus Bildern und Texten in PowerPoint oder durch Präsentation eines Comics im Internet.

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