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Einordnung des Themas

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.

Der Begriff des „Kompetenzorientierten Mathematikunterrichts“ ist in der Bildungsdebatte allgegenwärtig. Seine Verwendung reicht von hoch theoretischen Betrachtungen bis zur unreflektierten Verwendung als didaktisches Modewort. Für die einen ist er ein rotes Tuch, für die anderen ein Kampfbegriff zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen. 

Der Begriff ruft in der Lehrerschaft vielerlei Reaktionen hervor, darunter auch sehr emotionale. Allzu schnell werden Gegenpositionen aufgebaut: Hier die „moderne“ Kompetenzorientierung, dort der „alte“ Lernzielunterricht. Wir sollten es uns als Lehrer aber nicht erlauben, unreflektiert didaktische Positionen einzunehmen oder beizubehalten. 

Beispiele dafür sind Äußerungen der Art „Man darf jetzt keine Lernziele mehr angeben“ oder „Inhalte spielen keine Rolle mehr“. Es gibt in diesem Zusammenhang auch Erschwernisse mehr psychologischer Art, die eine rationale Debatte unterdrücken können: Liegen nicht Welten zwischen der negativen Suggestionskraft des Wortes „Frontalunterricht“ (Frontalangriff) und Wörtern wie „offen“ und „kooperativ“? Leicht steckt man den Gesprächspartner in eine Schublade, ohne zu ergründen, was er genau damit meint.

Unsere Absicht ist, mit Ihnen ins Nachdenken über guten Mathematikunterricht zu kommen, Argumente zu formulieren und zu bewerten und letztlich einen Diskurs in die Wege zu leiten. Dabei soll uns der Begriff der Kompetenzorientierung als Aufhänger dienen. 


Der Kompetenzbegriff 
Der Kompetenzbegriff nach Prof. Weinert (2001) bildet die Grundlage des Bildungsplans 2004. 

„Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen (d.h. absichts- und willensbezogenen) und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variabalen Situationen erfolgreich und verantwotungsvoll nutzen zu können.“ 

Prof. Klieme erläutert dazu: 1
Die fachbezogene Formulierung von Kompetenzen darf jedoch nicht verwechselt werden mit der traditionellen Ausbreitung von Inhaltslisten in stoffdidaktischer bzw. fachsystematischer Gliederung.“
Von Kompetenzen kann nur dann gesprochen werden, wenn man grundlegende Zieldimensionen innerhalb eines Faches benennt, in denen systematisch, über Jahre hinweg Fähigkeiten aufgebaut werden.“
„Kompetenz stellt die Verbindung zwischen Wissen und Können her und ist als Befähigung zur Bewältigung unterschiedlicher Situationen zu sehen. Entsprechend breit muss auch die Umsetzung in Aufgaben und Tests gestaltet sein.“

Aus diesen Zitaten kann man einiges zum Kompetenzbegriff herausinterpretieren: Erstens: Inhaltslisten nach didaktischen Kriterien (Was wird unterrichtet? Wann wird das unterrichtet? In welcher fachsystematischen Gliederung ?) spielen nicht die primäre Rolle.

(Nebenbemerkung: Die Formulierung „Ausbreitung von Inhaltslisten“ hat eine leicht negative Anmutung im Sinne von: Die Lehrer haken im Unterricht auf Listen den Stoff ab. Wir wollen das nicht so verstanden wissen. Im Gegenteil: Ein fundiertes fachdidaktisches Wissen der Lehrer (dazu gehören auch Inhalte) ist unabdingbar.)
Zweitens: Es geht nicht ohne die Benennung grundlegender Zieldimensionen für ein Fach.
Drittens: Es wird stark auf „Problemlösen“, auf „Können“ abgehoben.

Bevor aus diesen mehr theoretischen Zugängen zum Kompetenzbegriff praktische Folgerungen gezogen werden, müssen wir uns vergegenwärtigen, um welche Fragestellungen es dabei immer geht. Zum Beispiel solche:
Wie können wir begründen, dass Schüler am Gymnasium 8 Jahre Mathematikunterricht haben sollten? Was ist daran so wichtig?
Was würden Sie darauf Fachlehrern, Eltern, Politikern antworten?
Man könnte z.B. sagen:
Die Schüler sollen die Prozentrechnung können. (Alle verstehen, um was es geht und stimmen zu.)

Die Schüler sollen Gleichungen lösen können. (Die Fachlehrer verstehen, um was es geht, die anderen erinnern sich daran, allgemeine Zustimmung.) Die Schüler sollen Boxplots verwenden. (Die Fachlehrer in NRW und Niedersachsen verstehen, um was es geht. Die Fachlehrer in BW ?) Das Beispiel zeigt gut die Austauschbarkeit von Inhalten.)

Bei allen solchen Versuchen, die Notwendigkeit und die Bedeutung von Mathematikunterricht über Inhalte zu vermitteln, bleibt das Gefühl zurück, dass etwas Wesentliches fehlt. Stellen wir die Frage anders: Was kann man in Mathematik lernen, was man in anderen Fächern nicht lernen kann?
Da können wir doch mit gutem Recht sagen:
Die präzise Beschreibung und Verwendung von Begriffen (Definitionen) ist einmalig. Die Herstellung präziser kausaler Gedankenketten ist einmalig (Sätze).
Die Fülle von Problemstellungen ist einmalig; d.h. die Möglichkeit, im Unterricht mehr problemlösend nachzudenken als nachvollziehend zu lernen.

Damit sind die in dem obigen Zitat angesprochenen grundlegenden Zieldimensionen des Faches angesprochen. Mit diesen Zieldimensionen, die ja auch uns Fachlehrer für unser Fach begeistern, können wir unseren Unterricht begründen. Mit Inhalten können wir das nur sehr begrenzt.
Hier wird auch die Forderung in dem obigen Zitat nach „können“ im Gegensatz zu „wissen“ deutlich: „Kausale Gedankenketten“ kann man zwar wissen, d.h. bei Bedarf nachsprechen, aber sie herstellen können, das ist eben Können.

Damit liegen, wie wir meinen, die theoretische Beschreibung des Kompetenzbegriffs und unsere Auffassung als Fachlehrer des Faches wenig auseinander. Für unser Vorgehen soll das nun heißen, dass wir uns einerseits an Veröffentlichungen orientieren, aber andererseits auch unsere individuellen Erfahrungen und Einstellungen zur Sprache bringen werden.
Neben dem Bildungsplan 2004 ( www.bildung-staerkt-menschen.de ) beziehen wir uns auf zwei Veröffentlichungen besonders:
Vortrag „Aspekte einer zukünftigen Lehrerbildung“ von Prof. Dr. Eckhard Klieme, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Universität Frankfurt gehalten auf dem vom Seminar Tübingen veranstalteten Kongress „LehrerBildung für die Zukunft“ am 23./24. März 2007 in Tübingen. Dieser Vortrag beruht zu großen Teilen auf empirischen Untersuchungen.
Prof. Hilbert Meyer in seiner Veröffentlichung „Was ist guter Unterricht?“
(H. Meyer, Was ist guter Unterricht?, Cornelsen Scriptor, 5. Auflage 2008)

Das Folgende gliedert sich in drei Teile:
Zum Ersten soll die aufgeworfene Frage „Was ist kompetenzorientierter Mathematikunterricht?“ beantwortet werden.
Zum Zweiten ist es unser Ziel, Qualitätskriterien für einen kompetenzorientierten Mathematikunterricht zu formulieren.
Damit wäre dann ein Gerüst, mit dessen Hilfe wir dann abschließend die Module der Fortbildung erläutern, vorhanden.

 

Kompetenzorientierter Mathematikunterricht Einstiegsreferat:
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1 aus [1]: Studienseminar Koblenz „Kompetenzorientierung-individuelle Förderung-Standardisierung: Wie kann das gehen?“ Vortrag auf dem MNU-Tag in Hamburg am 14.9.2006 www.aufgabenkultur.studienseminar-koblenz.de Einstiegsreferat, H. Buck, H. Freudigmann, 2009