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Didaktischer Hinweis zum Verlauf

1. Baustein

Im 1. Baustein werden die Schülerinnen und Schüler spielerisch an das ernste Thema Fundamentalismus her­angeführt. Im Einstieg werden erste Kenntnisse zum Begriff „Fundamentalismus“ im Sinne einer Lernstandserhebung abgerufen. Da sich die Bedeutung des Begriffs nur den Personen erschließt, die ihn bereits in be­stimmten Kontexten kennen gelernt haben, kann eine schrittweise Erarbeitung hilfreich sein. Über die Wort­teile Fundament oder fundamental zeigen sich verschiedene Konnotationen des Begriffs, die aufgegriffen und auf das Verständnis des ganzen Wortes bezogen werden können. Diese schrittweise Annäherung ist auch insofern sinnvoll, als die Sinnkontexte bildhaft das basale Anliegen des Fundamentalismus veranschaulichen: Grundlegung im Glauben zu leisten, indem man sich auf das grundlegende und grundgelegte Fundament des Glaubens – meist in Form der heiligen Schrift – bezieht.

Nach der ersten Annäherung an das Thema der Unterrichtseinheit weist die Lehrkraft nicht nur auf seine Brisanz hin, sondern informiert die Schülerinnen und Schüler darüber, dass die einzelnen Bausteine als Grundlage für eine von ihnen konzipierte und gehaltene Fortbildung für Klassen derselben Altersstufe dienen. Dadurch erhöhen sich die Spannung und die Konzentration, da der Schritt von Lernenden zu Lehrenden über die gesamte Einheit mitschwingt.

Im folgenden Unterrichtsverlauf des ersten Bausteins erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler Merkmale des Fundamentalismus. In Form eines Rollenspiels erleben sie Mechanismen, Wirkungszusammenhänge und inhaltliche Setzungen, die in ihrer Vielfalt den Fundamentalismus kennzeichnen. Indem sie zunächst eine fik­tive Rolle einnehmen, sind sie in der Lage, aus einer größeren Distanz auf das Thema zu blicken und darüber hinaus mögliche gruppendynamische Prozesse besser abfedern zu können. Denn sobald man das für seine Spielidentität entwickelte Symbol in Form eines kleinen Accessoires ablegt, tritt man aus der Rolle heraus und nimmt wieder seine reale Persönlichkeit an. Schon hier wird klar: Es können gruppenbezogene Dynami­ken entstehen, die man einerseits wahrnehmen soll, ihnen andererseits aber nicht ausgeliefert bleibt, sofern man dies nicht mehr wünscht, weil man das Spiel nicht mehr als solches erlebt. Im zweiten Schritt wird das fundamentalistische Element der Abgrenzung und ggf. des Antimodernismus eingetragen. Nimmt die Klasse diesen Auftrag zunächst vielleicht als befremdlich wahr, so entsteht doch schnell ein Zusammengehörigkeits­gefühl in der Gruppe durch gemeinsame Feindbilder, von denen man sich abhebt. Empörung wird dadurch erzeugt, dass im dritten Schritt nur die Jungen der Klasse als Anführer zugelassen sind. Das wird noch durch die geheime Information verstärkt, dass der Anführer von Gott berufen sei und seine Autorität auch deshalb außer Frage steht. Entsprechend wird er sich nun im vierten Schritt in die Diskussion um die Begründung für die Punkte der Abgrenzung einbringen. Dies gilt besonders für die Stigmatisierung eines Elements als „böse“. Die willkürliche Auswahl eines Schriftzitates als letztgültiges Argument bedarf noch des Hinweises der Lehr­kraft, dass man mit der „Zeigefingermethode“ blind eine Stelle heraussuchen darf und diese den Argumen­tationsgang unterstützend einbauen soll. Dieses eklektizistische und intellektuell unredliche Verfahren regt die Schülerinnen und Schüler zum Nachdenken darüber an, wann und wie ein Verweis auf Textstellen ange­messen ist und welche Voraussetzungen für einen seriösen Umgang mit Bibel oder Koran dafür bestehen müssten. Dieser Schritt bahnt bereits die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Hermeneutik und Fundamentalismus an, die im 4. Baustein vertiefend erarbeitet wird.

Nach dieser kurzen Vorstellung der ersten Ergebnisse sowie einer ersten Metareflexion über den bisherigen Verlauf des Prozesses („Wie ging es mir als Mitglied einer Gruppe, die von einer gottgegebenen Autorität dominiert wurde?“) gestalten die Schülerinnen und Schüler eine Werbe­veranstaltung, um auf ihre Ziele aufmerksam zu machen und weitere Anhänger zu gewinnen. Damit tauchen sie noch einmal tiefer in die inneren Zusammenhänge ihrer Gruppe ein und sind gezwungen, evtl. Wider­sprü­che oder Lücken zu füllen. Dadurch erkennen sie, dass zwar Spannungen und Brüche in ihrer Argumentation entstehen, diese aber – zumindest teilweise - mittels leichter Rhetorik aufgefangen werden können. Die dadurch entstehende Sensibilität für die diversen Argumentationsmuster, Argumentationsverläufe sowie deren inhaltliche und lediglich rhetorische Begründungen wird hier angelegt und bildet den Ausgangspunkt, um derartige Strukturen realer Fundamentalisten zu identifizieren. Diese Beobachtungen werden durch die mögliche Frage verstärkt, wie man sich nach vielen Jahren der Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe fühlen und was man denken würde.

Neben diesem Zugang, der die innere Wahrnehmung der eigenen Empfindung in einer Gruppierung dieser Art zur Sprache zu bringen versucht, erfolgt der nächste Unterrichtsschritt in Form einer Zusammenfassung der erkennbaren Merkmale eines religiösen Fundamentalismus. Dabei werden in einem Unterrichtsgespräch sämtliche beobachtbaren Elemente gesammelt und mittels des Basistextes ergänzt. Die Fragen zielen auf eine zunehmende Aneignung des Stoffes ab, indem die Merkmale zunächst nur benannt, dann Überbegriffe dafür geboten, anschließend eine Mindmap zur Durchdringung des ganzen Textes gestaltet und zuletzt das Phänomen Fundamentalismus in eigenen Worten erklärt werden soll. In der Hausaufgabe in Gestalt einer Anforderungssituation sollen die Schülerinnen und Schüler mittels eines „Fundamentalismus-Checks“ Fragen zu den im 1. Baustein erarbeiteten Merkmalen des Fundamentalismus formulieren, was einerseits die vorausgegangene Stunde zusammenfasst und andererseits die kommende Stunde vorbereitet. Mit den Merkmalen des Fundamentalismus, die einem „Fundamentalismus-Check“ in den kommenden Bausteinen dienen, und dem Erleben von Strukturen, die eine fundamentalistische Gruppe bestimmen, ist der Grund­stein für die sensible Wahrnehmung des Phänomens gelegt, auf den die kommenden Bausteine aufbauen.

2. Baustein

Die Schülerinnen und Schüler werden zu Beginn des 2. Bausteins mit einer Anforderungssituation konfrontiert, die sich zwar nicht alltäglich zuträgt, aber trotzdem realistisch angelegt ist: Einem Freund, der sich seit dem verstärkten Moscheebesuch verändert hat, sollen anhand des Fundamentalismus-Checks Fragen gestellt werden, auf die er aber abweisend reagiert, sich unverstanden fühlt und den Fragenden zu einem Besuch in seiner neuen islamischen Gruppe einlädt. Mit Plickers wird anonym gefragt, ob die Schülerinnen und Schüler die Einladung annehmen würden. An dieser Stelle ergeben sich im Unterrichtsgespräch Äußerungen, die die mögliche Gefahr durch eine mögliche islamistische Radikalisierung ansprechen und zur Leitfrage des Unterrichts über­leiten: Kann Religion auch gefährlich sein?

Im weiteren Verlauf wird anhand eines Filmes eine islamistische Gruppierung bearbeitet.

Anhand der im 2. Baustein gewonnen Erkenntnisse kann die Ausgangsfrage, ob man der Einladung des Freundes folgen möchte, noch einmal gestellt und mit Argumenten gestützt beantwortet werden. Dadurch erreichen die Schülerinnen und Schüler eine höhere Sicherheit in der Abgrenzung zwischen Islam und Islamismus und verstehen die Gefahr, die von den Salafisten aufgrund ihres verkürzten hermeneutischen Verständ­nis­ses ausgeht.

3. Baustein

Im 3. Baustein geht es darum, den Fokus vom Islam auf andere Religionen auszuweiten und zu erkennen, dass fundamentalistische Strömungen in allen Religionen vorkommen. Die Grenzen zwischen Fundamenta­lismus und allgemein anerkannten Religionen sind fließend. Zudem ist es teilweise auch problematisch, mit einer Zuweisung des Etiketts Fundamentalismus eine Gruppe abschließend negativ zu bestimmen. Aus diesem Grund haben wir gerade solche Gruppen ausgewählt, die in einem Grenzbereich liegen, und nicht eindeutig zugeordnet werden können. So ist die abschließende Beurteilung im Hinblick auf die Frage, wieviel Fundamentalismus wir eben auch tolerieren können, eine offene und ernst gemeint. Deshalb ist dabei unbe­dingt darauf zu achten, dass die zu untersuchenden Gruppierungen in ihren Anliegen ernst genommen und keineswegs in eine Schublade zu stecken sind. Die offensichtliche Grenze zwischen tolerierbarem und nicht tolerierbarem Fundamentalismus ist die der psychischen und physischen Gewaltan­wendung. Zudem dient die Untersuchung dazu, den Blick dafür zu schärfen, dass eine Gruppe nicht insgesamt als fundamentalistisch bezeichnet werden muss, wenn man lediglich einzelne Merkmale des Fundamentalismus iden­tifiziert hat.

Die Auswahl der zu untersuchenden religiösen Gruppen ist dadurch begründet, dass die Schülerinnen und Schüler konkrete, abgrenzbare Gruppierungen untersuchen sollen und nicht etwa eine große Strömung, die nicht oder nur wenig nachvollziehbar in einer konkreten Organisation in Erscheinung tritt. Vielmehr müssen sie sich hier mit der Schwierigkeit auseinandersetzen, dass manche Merkmale des Fundamentalismus-Checks entweder nicht recherchierbar oder aber nicht gegeben sind. Dadurch kann man eine Gruppe möglicherweise nicht eindeutig als fundamentalistisch bezeichnen. Vielmehr sind die Schülerin­nen und Schüler nun aufgefordert, die erhobenen Merkmale nicht nur nach Zahlen abzuhaken, sondern auf ihr Gewicht hin zu prüfen und ggf. weitere Kriterien für eine Bestimmung zu entwickeln. Denn ihre Aufgabe besteht darin, eine Gruppierung mit fundamentalistischen Merkmalen oder Tendenzen der Klasse vorzustel­len und zu beurteilen, ob man hier von einer fundamentalistischen Gruppierung reden kann. Die differen­zierte Beobachtung wehrt auch der Gefahr, eine Gruppe vorschnell als fundamentalistisch zu bezeichnen und nur in den Kategorien und Zuordnungen fundamentalistisch=gefährlich und nichtfundamentalis­tisch=harmlos zu denken.

Die Auseinandersetzung mit den Gruppen mit Hilfe des Internets entspricht der Lebenswelt der Jugendlichen. Denn viele fundamentalistische Organisationen nutzen die modernen Medien, um jungen Menschen auf sich aufmerk­sam zu machen und eine Brücke für einen persönlichen Kontakt zu schlagen. Insofern begegnen gerade im Internet viele Auftritte fundamentalistischer Vereinigungen, auf die die Schülerinnen und Schüler beim Sur­fen stoßen könnten und zumindest im ersten Moment eine Art Fundamentalismus-Check als Möglichkeit für eine kritische Distanzierung zu den spektakulär-attraktiv inszenierten Seiten in der Hand haben.

Das abschließende Unterrichtsgespräch muss sich auch der Frage zuwenden, ob zu manchen Fragen eine feste Position einzunehmen schon ein fundamentalistischer Ansatz ist oder wie man einen festen Standpunkt haben kann, ohne dabei Fundamentalist zu sein. Freilich muss jeder für sich selbst entscheiden, welchem Ansatz er zustimmt. Aber Schülerinnen und Schülern sollten auch begreifen, dass man sich – gerade gegen­über gewaltbereiten Fundamentalisten – auch für eine Position entscheiden und dabei die möglichen Konse­quenzen im Blick haben muss.

4. Baustein

Haben sich die Schülerinnen und Schüler in den vorausgegangenen Stunden mit der gefährlichen Seite von Religion im Sinne eines z.T. gewaltbereiten Fundamentalismus beschäftigt, stellt sich natürlich die Frage, welche positiven Aspekte Religion bieten kann. Diese Unterscheidung zwischen Ideologie und Glaube, zwischen der unerbittlichen Einforderung fester Regeln oder Glaubenssätzen und einem Grundvertrauen in die Güte und Liebe Gottes, zwischen lebensverhindernder, rigider Religiosität und lebensförderlicher Frömmigkeit soll Ausgangspunkt für den 4. Baustein sein. Die Überschrift „Sklaverei oder Freiheit? – Religion als Unterdrückung oder Befreiung“ greift das Thema auf. Medium ist ein Film, der eine Aussteigerbiographie beleuchtet.

In der abschließenden Aufgabenstellung erhalten die Schülerinnen und Schüler noch einmal die Gelegenheit zu einer Vertiefung der Lerninhalte, indem sie den Unterschied zwischen einem lebensförderlichen Islam und dem lebensverneinenden Islamismus herausarbeiten und einander gegenüberstellen. Damit wird die Kompetenz einer Differenzierung gefördert, verschiedene Gruppen innerhalb einer Religion nicht zu verallgemeinern, sondern die jeweiligen Anliegen deutlich zu machen und je für sich zu beurteilen: Der Islam ist eben nicht gleich dem Islamismus.

5.-7. Baustein

Die vier vorausgegangenen Bausteine sollen als Ausgangspunkt dienen, von dem aus die Schülerinnen und Schüler Mitschü­lerinnen und Mitschüler anderer Klassen („Gastschüler“) in einem 6. Baustein unterrichten. Mittels der Methode „Lernen durch Lehren“ wird zum einen das Element der Nachhaltigkeit im kompetenzorien­tierten Unterricht umgesetzt; zum anderen erhalten die Gastschüler einen Einblick in das Thema Fun­damentalismus und können darauf aufbauend selber an der inhaltsbezogenen Kompetenz weiterar­beiten. Ein besonderer Reiz bei der Vorbereitung liegt darin, dass die Schülerinnen und Schüler selbständig die Inhalte und Schwerpunkte für die Präsentation entwickeln können. Nach Neigung differenziert können die Schülerinnen und Schüler die Inhalte aus den Bausteinen wählen und so ausarbeiten, dass sie für die nötigen Informationen und die möglichen Fragen der Gastschüler auskunftsfähig sind. Daher wird der 5. Baustein in der Regel indivi­duell gestaltet; oder er wird stärker von der Lehrkraft strukturiert und die Schülerinnen und Schüler können sich entspre­chend ihrer Interessen thematisch oder methodisch einbringen.

In diesem Sinne sollen die folgenden Überlegungen nur als Beispiel verstanden werden, das eine un­gefähre Struktur angibt, aber im Blick auf die Lerngruppe in jeder Hinsicht variiert werden kann.

Die Schülerinnen und Schüler sollen zunächst die Möglichkeit erhalten, sich über die Heftaufschriebe oder einen Postorganizer noch einmal mit den Inhalten der vorausgehenden Stunden auseinanderzusetzen. Durch den Erkenntnisprozess in metakognitiver Form erhalten sie Gelegenheit, die zentralen Gesichts­punkte der UE zu vergegenwärtigen und anschließend nach Neigung differenziert den Inhalt eines Bau­steins zu erarbeiten. In dem folgenden Beispiel für eine Struktur für die folgende Stunde steht als lei­tendes Ziel die Befähigung der Gastschülerinnen und Gastschüler im Fokus, den Fundamentalis­mus-Check selbständig auf verschiedene Gruppierungen anzuwenden. Schließlich wird die Ausstellung präsentiert und im letzten Baustein das Ergebnis im Sinne der Metakognition reflektiert.

 

Unterrichtssequenz: „Fundamentalismus: Wann wird Religion zur Gefahr?“: Herunterladen [docx][56 KB]

Unterrichtssequenz: „Fundamentalismus: Wann wird Religion zur Gefahr?“: Herunterladen [pdf][229 KB]

 

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