Zur Hauptnavigation springen [Alt]+[0] Zum Seiteninhalt springen [Alt]+[1]

Aspekte Urteilsbildung Kaulbachs "Neue deutsche Geschichte"

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.

 

Feststellung formaler Merkmale:

Quelle: Eduard Fuchs: 1848 in der Caricatur, München 1898, Beilage Nr. 14.

Titel: Neue deutsche Geschichte. In Reime gebracht und mit schönen Bildern verziert von

Autor und Zeichner: C(K)arl Ludwig Kaulbach

Entstehungsdatum: Sommer 1849

Darstellung der Revolution von 1848/49 in Wort und Bild:

Struktur der Darstellung: Auf je zwei vierzeilige Strophen folgt eine comicartige, karikierende Zeichnung zur Akzentuierung/Präzisierung/Kommentierung des zuvor Formulierten.

Zeitrahmen: Von den Befreiungskriegen bis zum Ende der Reichsverfassungskampagne:

  • Verweis auf dreiunddreißig Jahre im „Gefängnis“ des Deutschen Bundes, aus dem sich der deutsche Michel befreit; im Bild erscheint ihm der Freiheitsengel der Französischen Revolution (phrygische Mütze/Kokarde), der ihm ein Schwert in die Hand gibt.
  • Aufzählung der Städte, in denen Michel „petitioniert“, d.h. seinen „Märzforderungen“ – wie das Bild unterstreicht – in „Sturmpetitionen“ Nachdruck verleiht.
  • Michel geht noch weiter, trägt eine schwarz-rot-goldene Fahne und verlangt von den Fürsten ein nationales Parlament und die Absage an die absolute Monarchie („Russenhass“); im Bild links der deutsche Michel mit Schwert, Fahne, Jakobinermütze und einem Schild mit Liktorenbündel (Volksjustiz), rechts der russische Magnat/Zar mit Knute auf einer kreuzgeschmückten Kugel reitend (Verbindung von Thron und Altar).
  • Kompromiss zwischen den deutschen Fürsten und den „Flegeln“ Michels:Einrichtung eines nationalen Parlaments; Anlehnung an Frankreich, Absage an Russland.
  • Michel zu weiteren Schritten nicht bereit: die Republik lehnt er als „Tand“ ab, sucht lieber den Ausgleich mit Fürsten, Geistlichkeit und den Wohlhabenden (im Bild durch Verbrüderungsszenen unterstrichen).
  • Wahl des Parlaments nach englischem Vorbild, in dem vor allem Akademiker, Bürger, Adlige und Geistliche vertreten sind, aber auch einige „Wühler“, d.h. Demokraten, die allesamt im Bild dargestellt werden.
  • Verunglimpfung des Parlaments als Schwatzbude, in der alle durcheinander schreien und einige sich sogar schlagen; die Abgeordneten, die Freiheit und Einheit fordern, schmieden jedoch neue Ketten und Michel sehnt sich bald nach Ruhe; im Bild auffallend der habsburgische Doppeladler am Rednerpult.
  • Nach endlosen Diskussionen Entscheidung zugunsten einer konstitutionellen Monarchie und Wahl eines Kaisers;üppige Civillisten sowohl für den Kaiser als auch die übrigen Fürsten, wie die gekrönten Geldsäcke des Bildes unterstreichen.
  • Protest und Ablehnung der Kaiserwahl durch die Fürsten, die sich nun einem Kaiser unterordnen müssten.
  • Da Michel sich aber nicht gerne um das Kaiserkrönungsfest bringen lässt, kommt es in der Pfalz und in Baden zum Aufstand, zum Tanz um den Freiheitsbaum wie Bild und Text betonen, während die Fürsten sich in ihre Wehrtürme zurückziehen.
  • Kuriere nach Petersburg und Paris entsandt, die betonen, dass der verrückt (toll) gewordene Michel nur durch Aderlass (Blut) und Pillen (Kanonenkugeln) „pugirt“ (gereinigt) bzw. kuriert  werden kann (im Bild Kartätschen mit abgeschossenen Kugeln).
  • Michel wird mit den genannten Mitteln ‚befriedet‘ und durch Oktroi zur Räson gebracht; im Bild von einem preußischen Soldaten (Pickelhaube) in Ketten gelegt und der Freiheitsengel der Französischen Revolution von einem Russen mit der Knute vertrieben.

Erklären im historischen Kontext:

  • Das Blatt ist wohl im Sommer (Mitte August, nach der Kapitulation der Ungarn bei Vilagos am 13.08.) 1849 nach der Niederschlagung der Reichsverfassungskampagne in München erschienen, wo sein Verfasser Carl Ludwig Kaulbach lebte und als Schriftsteller wirkte.
  • Die Ursachen der Revolution (Freiheits- und Einheitsstreben) werden ebenso genannt wie die Märzforderungen, die Errichtung eines nationalen Parlaments, die Kaiserwahl oder der Aufstand in Baden und in der Pfalz sowie dessen Niederschlagung; insgesamt aber kommt der Autor über eine bloße Aufzählung nicht hinaus.
  • Durchgängige Ironisierung der Gestalt des Michels und ‚seiner Revolution‘ (vgl. „Krähwinkel“), die durch die karikierenden Bilder noch verstärkt wird.
  • Auffallend vor allem die Absage Michels an die Republik, die Kritik an der Paulskirche („das Reden nimmt kein End‘ …“) und die eigenwillige Hervorhebung des Einflusses von Adel, Geistlichkeit und reichen Bürgern, die dem Werk der Nationalversammlung nicht gerecht wird (bezeichnenderweise fehlen Hinweise auf Grundrechte oder Verfassung, um von dem Reichsverweser, der Reichsregierung usw. erst gar nicht zu reden).
  • Eigenwillige Erklärung des Scheiterns der Annahme der Krone: Nicht Friedrich Wilhelm IV. lehnt die Krone ab, sondern die Fürsten verwahren sich gegen die Kaiserwahl.
  • Satirische Begründung der Reichsverfassungskampagne, die mit dem Scheitern des „Kaiserkrönungsfests“ erklärt wird.
  • Niederschlagung des Aufstands (Blut und Kanonenkugeln) zum einen durchaus adäquat dargestellt ebenso das Mittel des Oktrois; andererseits aber falsche Akzentuierung der Rolle Russlands, denn die russische Armee intervenierte zwar in Ungarn, aber nicht im Deutschen Bund (dies könnte mit der Aktualität der Kämpfe in Ungarn oder derjenigen der Schlacht bei Vilagos erklärt werden).

Aspekte Urteilsbildung Kaulbachs "Neue deutsche Geschichte":
Herunterladen [docx][24 KB]